: Der letzte Tritt für die Tories
■ Rechtzeitig zur britischen Parlamentsauflösung berichtet die Zeitung „Guardian“ über korrupte Abgeordnete
Dublin (taz) – Das hatte John Major gerade noch gefehlt. Der britische Guardian hat gestern eine schwarze Liste mit den Namen korrupter Tory-Abgeordneter veröffentlicht. Die Informationen stammen aus einem Untersuchungsbericht, den Major bis nach den Wahlen am 1. Mai geheimhalten wollte. Man schulde es aber den WählerInnen in den Wahlkreisen der bestechlichen Parlamentarier, schrieb die Zeitung, daß sie den Inhalt des Berichts kennen, bevor sie zur Wahlurne schreiten. Die Abgeordneten hatten sich von dem Geschäftsmann Mohamed al- Fayed, dem das Kaufhaus Harrods in London gehört, und anderen Geschäftsleuten für Unterhaus- anfragen bezahlen lassen.
Koordiniert wurden die korrupten Deals vom Lobbyisten Ian Greer, der als Kontaktmann zwischen zahlungswilligen Geschäftsleuten und geldgierigen Abgeordneten fungierte. Tim Smith kassierte 1986 und 1989 als Staatssekretär im Nordirland-Ministerium umgerechnet rund 60.000 Mark – überreicht in braunen Briefumschlägen ohne Quittung. Sir Michael Grylls, Vorsitzender verschiedener Unterhausausschüsse, strich rund 200.000 Mark ein. Die Abgeordneten Michael Brown und Andrew Bowden erhielten jeder etwa 15.000 Mark. Keiner von ihnen meldete die Nebenverdienste dem Finanzamt, alle belogen das Parlament nach Strich und Faden.
Den Vogel schoß freilich Neil Hamilton ab, der ehemalige Staatssekretär und Fraktionschef der Tories. Er steckte nicht nur Tausende von Pfund in bar ein, sondern ließ sich auch mit Gemälden, Gartenmöbeln und Familienurlauben bestechen. Er sorgte durch geschickte Anfragen dafür, daß al-Fayeds Konkurrenten um die Harrods-Übernahme in schlechtem Licht erschienen; er verheimlichte gegenüber dem Finanzamt nicht nur, daß sein Familienausflug in die USA aus Ian Greers Topf bezahlt worden war, sondern setzte die angebliche Geschäftsreise obendrein von der Steuer ab. Als der stellvertretende Premierminister Michael Heseltine den faulen Braten roch, stritt Hamilton alles ab. Nun muß er mit einer Anklage rechnen.
Aber auch Premierminister Major kommt bei der Sache nicht gut weg. In dem Bericht ist vermerkt, daß Tim Smith dem Tory-Fraktionschef 1994 gestanden hatte, Bestechungsgelder von al-Fayed genommen zu haben. Major wurde davon nachweislich informiert, beließ Smith aber auf seinem Ministerposten und machte ihn darüber hinaus zum Mitglied des Rechnungsausschusses, der die Verwendung öffentlicher Gelder überwacht. Offenbar hielt Major den Bock für diesen Gärtnerjob besonders geeignet. Der Premier wies die Staatsanwaltschaft an, gegen al-Fayed wegen möglicher Erpressungsversuche zu ermitteln. Gleichzeitig deckte er Smith gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß.Eigentlich sollte die Sache erst nach den Wahlen auffliegen. Vorgestern wurde lediglich der erste Teil des Berichts von Sir Gordon Downey veröffentlicht, in dem der Korruptionsverdacht gegen 15 andere Abgeordnete und Minister entkräftet wird. Einen Antrag der Labour Party, die Auflösung des Parlaments um ein paar Tage zu verschieben, um auch den Rest des Berichts auf den Tisch zu bekommen, lehnte Major ab. Er gewährte der Opposition nicht mal fünf Minuten für eine Debatte, sondern schickte die Abgeordneten gestern um elf Uhr bis nach den Wahlen nach Hause. Für viele seiner Abgeordneten war es wohl ein Abschied für immer. Ralf Sotscheck
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