■ „Schengen“ funktioniert nicht: Politik ist einfältig
Eine Grenzöffnung bei gleichzeitiger Maßgabe, bestimmte Leute doch draußen zu halten, das kann nicht funktionieren. Andererseits sollten wir uns bei aller Kritik auch klarmachen, daß Europa ja wirklich nur vorankommt, wenn die Grenzen eines Tages endgültig fallen. Aber unsere Politiker und auch wir Strafverfolger machen uns nur selten klar, daß man eben nicht nur die Honigseiten einer Entwicklung haben kann. Und das bedeutet, daß ein freizügiges Europa auch Risiken beinhaltet. Nun kann man Risiken immer um so besser vorbeugen, je eher man über sie spricht. Genau das aber ist nicht geschehen. Verfahren wurde in Schengen ebenso wie in den Nachfolgekonferenzen eher nach dem Motto: „Es wird sich schon alles einrenken.“
Natürlich hat sich nichts eingerenkt. Das war abzusehen. Was aber nicht abzusehen war, ist die Einfältigkeit, mit der Politiker und auch die Medien in ganz Europa die nun auftauchenden Defizite genau denen zur Last legen, die als einzige seit Anbeginn vor den Gefahren gewarnt hatten: der Polizei und den Strafverfolgern. Wo immer in Europa nun mafiose Strukturen auftauchen, wo immer „Immigrantenwellen“ nicht bewältigt werden können – immer ist es die Polizei, die „völlig hilflos reagiert“ oder „überhaupt nicht vorbereitet ist“.
Politische Kommentatoren in Presse und Fernsehen werden nicht müde, uns Versagen an den Kopf zu hauen, wenn irgend etwas passiert, wo Bürger mehrerer Staaten involviert oder Taten internationalisiert wurden. Jaulen wir, nach allzu vielen Fußtritten, mal auf und weisen darauf hin, daß wir weder effiziente Kontrollinstrumente noch Handlungsmöglichkeiten besitzen, fällt dieselbe Meute mit dem Argument über uns her, wir wollten uns wohl gegen das Vereinigte Europa sperren.
Wir Strafverfolger haben gar nichts dagegen, wenn sich Europa vielen Immigranten öffnet, wir haben nichts dagegen, wenn die Grenzen absolut kontrollfrei sind. Aber wir möchten nicht dafür gescholten werden, wenn unter den Millionen Ein- oder Durchreisenden auch ein paar tausend Kriminelle sind, die wir erst dann stellen können, wenn sie bei uns straffällig geworden sind. Abweisung geht nur, wenn es Grenzkontrollen gibt, und wer abgewiesen wird, wie strafverfolgt werden soll und vor allem wie vorgebeugt werden darf, das ist eine politische Entscheidung. Entsprechend sollen gefälligst die Politiker die Verantwortung übernehmen. Giovanni Di Rizzo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen