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Im Knast systematisch zu Tode gefoltert

■ Amnesty wirft Rußland massive Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen vor. Häftlinge werden grausam mißhandelt und ersticken wegen Überfüllung

Bonn (AFP) – Zwei Wochen vor dem Staatsbesuch des russischen Präsidenten Boris Jelzin in Bonn hat die Menschenrechtsorganisation amnesty international Moskau vorgeworfen, daß in Rußland „unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung Häftlinge systematisch mißhandelt und gefoltert werden“. In einem gestern veröffentlichten Bericht „Folter in Rußland – die Hölle auf Erden“ betont amnesty, die Macht des russischen Sicherheits- und Polizeiapparates habe in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen.

So erlaube ein Dekret Jelzins von 1994 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität den Sicherheitskräften, verdächtige Personen bis zu 30 Tage ohne Anklage, ohne Zugang zu einem Anwalt und ohne Kontakt zur Außenwelt festzuhalten. Nach der russischen Verfassung sei es verboten, Personen ohne richterliche Entscheidung länger als 48 Stunden festzuhalten.

Auf russischen Polizeiwachen und in Gefängnissen würden Menschen mit Schlägen und Sauerstoffentzug fast bis zum Erstickungstod gefoltert und gezwungen, in schmerzhaften Körperpositionen zu verharren. Dafür seien nicht nur die Sicherheitskräfte, sondern auch Ärzte verantwortlich. „In einigen Fällen haben Ärzte während der Mißhandlungen den Puls der Gefolterten gemessen und Auskunft darüber gegeben, ob die Opfer noch weitere Mißhandlungen vertragen könnten oder nicht“, berichtet amnesty.

Besonders betroffen seien ethnische Minderheiten, unter anderem Tschetschenen und Angehörige anderer Kaukasusvölker. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert auch die allgemeinen Haftbedingungen. Die Gefängnisse seien „erheblich überfüllt“. In nahezu allen Untersuchungsgefängnissen seien schon Häftlinge wegen Sauerstoffmangels erstickt.

Im Juli 1995 seien elf Häftlinge im Gefängnis in Nowokusnjetsk an einem Hitzschlag gestorben. Laut amnesty werden in den Gefängnissen nach wie vor alte „Gulag-Methoden“ angewandt. Beipielsweise würden ausgesuchte Häftlinge mit der Kontrolle und Bestrafung anderer Gefangener betraut.

Moskau hat der Menschenrechtsgruppe zufolge sowohl die UN-Antifolterkonvention als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet. Die Organisation fordert ein umgehendes Ende von Folter und Mißhandlungen in Gefängnissen und Polizeigewahrsam.

Die Bundesregierung müsse sich auf bilateraler und internationaler Ebene dafür einsetzen, daß Rußland seine Rechtsnormen an die internationalen Menschenrechtsstandards angleiche und auch einhalte. Eine Gelegenheit, um diese Probleme anzusprechen, bestehe beim Jelzin-Besuch in Deutschland am 17. und 18. April.

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