: Roma sind verzweifelt
■ In Bosnien erwarten 80.000 Flüchtlinge nur zerstörte Siedlungen
Berlin (taz) – Sie benötigen mehr Zeit und mehr Geld. Beides haben sie nicht, jene Roma, die vor dem Krieg aus Bosnien und Herzegowina geflüchtet sind. Frühestens in einem Jahr könne in einigen wenigen Fällen an eine Rückkehr der 80.000 in Deutschland lebenden Roma-Flüchtlinge gedacht werden, erklärte Raijko Djuric, Präsident der Internationalen Roma- Organisation in Berlin. Etwa 80 Prozent aller Roma-Siedlungen im Bürgerkriegsgebiet seien von Muslimen zerstört, der Rest von den Behörden beschlagnahmt worden. Die neuen Staaten akzeptierten die Pässe der Flüchtlinge nicht, kritisierte Djuric: „Sollen wir jetzt etwa Roma-Pässe ausstellen?“ Außerdem verlangten Behörden der einzelnen Gemeinden Bosnien-Herzegowinas von Rückkehrern aller Volkszugehörigkeiten mitunter umgerechnet 9.000 Mark, bevor diese sich wieder ansiedeln dürften. Eine Summe, die kein Rom aufbringen könne.
Eine Delegation aus Tuzla informierte gestern Presse und Landsleute in Deutschland über die Situation auf dem Balkan. Salko Muratovic, Sekretär der bosnischen Roma-Organisation, berichtete von Gesprächen mit Familien in Berlin, in denen die Roma ihr Heimweh beteuert hätten. Vor dem Krieg hätten schließlich 300.000 ihres Volkes ein Zuhause in Bosnien-Herzegowina gefunden, und dies unter für Roma selten günstigen Bedingungen.
Saban Mujic begründete die im Juli vergangenen Jahres erfolgte Gründung einer Roma-Organisation in Bosnien mit dem Fehlen einer Interessenvertretung in dem vom Krieg gezeichneten Land. Serben, Kroaten wie auch Muslime bekämen humanitäre Hilfe. Die Roma aber, die ärmste Gruppe der Bevölkerung, hätten nur sporadisch Spenden erhalten. Erst seit kurzem gingen die Kinder wieder zur Schule. Vorher hätten sie betteln gehen müssen, um zu überleben. Überdies seien Roma in Osteuropa ebenso wie in Deutschland Diskriminierungen ausgesetzt. „Doch auch unsere Söhne haben Bosnien-Herzegowina verteidigt“, erklärte Saban Mujic. „Die bosnische Armee war der einzige Ort, wo wir gleichberechtigt waren.“
In einem Schreiben vom 25.März stellt John Murray, der Koordinator für Sinti und Roma des Europarates in Straßburg, fest, daß „die Voraussetzungen für eine Rückkehr der Roma-Flüchtlinge nach Bosnien und Herzegowina nicht gegeben sind“. Dennoch befürchten allein in Berlin 15.000 Roma, bei Abschiebungen die ersten zu sein. Leif Allendorf
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