Stundenlohn für ÄrztInnen?

■ Peter Zamory, der gesundheitspolitische Sprecher der GAL, über Kriegsgewinnler, marode Krankenhäuser, gierige Laborpraxen und Stechuhren für ÄrztInnen

taz: Die Einsparungen, mit denen wir im Gesundheitswesen zu kämpfen haben, gehen auf die leeren Kassen der Krankenversicherungen und die aktuelle Bonner Gesundheitsgesetzgebung zurück. Gibt es daneben einige hausgemachte Hamburger Probleme?

Zamory: Der Senat hat die Krankenhäuser über Jahrzehnte baulich und strukturell verwahrlosen lassen. Jetzt stehen die Kliniken vor massiven Problemen. Rein von der Zimmerausstattung her haben die privaten und gemeinnützigen Häuser da viel früher Abhilfe geschaffen. Im Bereich des Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) ist das zur Zeit kaum aufzuholen.

Steht der LBK, immerhin einer der größten Krankenhausträger Europas mit 1,16 Milliarden Jahresumsatz, jetzt vor einem Fiasko?

Der LBK steht jetzt vor der Situation, unter dem Druck von Seehofers Politik und den Versäumnissen der Vergangenheit die Krankenhäuser für die Zukunft fit machen zu sollen. Neben dem bereitsgeschlossenen Hafenkrankenhaus steht jetzt offenbar das AK Barmbek zur Disposition.

Gibt es noch Reserven?

Ein grundlegendes Problem in Hamburg ist, daß der Senat den LBK bei seiner Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts 150 Millionen Mark sozusagen gutgeschrieben hat. Dafür fallen Grundstücke wie das des Hafenkrankenhauses bei Auflösung der Klinik an die Stadt zurück. Das bedeutet, daß der LBK die Grundstücke nicht beleihen oder darauf Gebäude für LBK-fremde Einrichtungen errichten kann, um an Geld zu kommen. Mit den Hypotheken könnte der LBK einen Teil der notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchführen. Wenn das nicht passiert und die Defizite weiterhin so bleiben, fürchte ich, wird es Kriegsgewinnler geben: Privatkliniken, die in dieses Vakuum stoßen werden.

Für welche Patientengruppen wird es im Würgegriff Seehofers besonders eng?

Es ist jetzt schon so, daß Drogenabhängige, Gefängnisinsassen oder minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in dieser Stadt schlechter versorgt werden. Außderdem trifft es diejenigen besonders hart, die für die massiven Zuzahlungen bei den Arzneimitteln nicht aufkommen können. Demnächst müssen bei einem einfachen Medikament bereits neun Mark dazugezahlt werden. Viele chronisch Kranke, ältere Menschen und junge Behinderte wissen nicht, woher sie das Geld dafür nehmen sollen.

Auch auf die MedizinerInnen kommen massive Einbußen zu. Sind Sie für einen Stundenlohn für Ärzte?

Ich hätte nichts dagegen, mit Stechkarte in die Praxis zu kommen und dann einen Stundenlohn zu bekommen, der nach Vorschlag des Berliner Ärtzekammerpräsidenten Ellis Huber bei rund 200 Mark liegen könnte. Das würde innerhalb der Ärzteschaft zu großen Widerständen führen, da ihr Status als Freiberufler angekratzt würde. In Hamburg stehen zur Zeit eine Milliarde Mark por Jahr für rund 3.000 niedergelassene Ärzte zur Verfügung. Das ist viel Geld.

Der Löwenanteil davon fließt in die Apparatemedizin. Im dritten Quartal 1996 haben vier Hamburger Laborpraxen zusammen 26 Millionen Mark abgerechnet. Das ist soviel, wie in dem selben Zeitraum alle niedergelassenen Allgemeinärzte zusammen eingenommen haben. Da zeigt sich deutlich, daß es unter dem Budgetdeckel einen internen Verteilungskampf unter den Ärzten gibt, der zuungunsten der sprechenden Medizin und der hausärztlichen Versorgung ausgeht.

Wird das Gepräch mit dem Patienten ausreichend honoriert?

Es gibt Quartiere in Hamburg, in denen aufgrund der Zunahme der psychosomatischen Erkrankungen und der Zunahme von Suchtproblematiken der sprechenden Medizin eine zentrale Bedeutung zukommt. Ursprünglich war geplant, die Gebührenordnung für Ärzte dahingehend zu ändern, daß Arzt-Patienten-Gespräche besser honoriert würde. Das hat aber nur dazu geführt, daß einige Apparatemediziner, die überwiegend technische Untersuchungen durchführen, verstärkt Gespräche abgerechnet haben, deren Punktwert dadurch weiter gesunken ist. Für ein zehnminütiges hausärztliches Gespräch bei einem Patienten mit einer psychischen Destabilisierung gibt es 300 Punkte. Bei einem Punktwert von rund sieben Pfennig wären das also 21 Mark.

Nagen die Ärzte am Hungertuch? Wie sollen die Honorare denn verteilt werden?

Es muß Hausarztpauschalen geben für geriatrische Patienten, weil diese Patientengruppe ebenso wie die chronisch Kranken stärker betreut werden müssen. Dem ließe sich dadurch gerecht werden, daß das Budget für alle niedergelassenen Ärzte durch einzelne Töpfe für die verschiedenen Berufsgruppen wie Internisten oder Allgemeinmediziner abgelöst würden. Der Kuchen reicht für alle, er muß nur gerechter verteilt werden.

Wie stellt sich die GAL das Krankenhaus der Zukunft vor?

Das Krankenhaus der Zukunft ist eine stadteilnahe Klinik der Grundversorgung. Es sollten dort also vorhanden sein: Chirurgie, Innere Medizin, Narkose und Röntgenabteilung. Es sollte kollegial geführt werden, ohne Chefärzte. Fachärzte und examinierte Pflegekräfte sollten ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten untereinander aufteilen.

Und es sollte mit Einrichtungen und Praxen aus dem Stadtteil vernetzt sein. Dann könnten die Niedergelassenen im Krankenhaus operieren, in dem auch alle Röntgen- und Laboruntersuchungen durchgeführt würden. Damit könnte vermieden werden, daß Patienten zweimal teure Diagnostikmaßnahmen durchlaufen – erst in der Praxis und dann im Krankenhaus. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Geld sinnvoll gespart werden könnte.

Ich wünsche mir, daß es analog zu den Vorschlägen der WHO einen permanenten Reformprozeß gibt, in dem die Mitarbeiter ernstgenommen werden in ihrer Kritik und diese in Verbesserungsvorschläge umsetzen. Diese Enthierarchisierung würde mit einer größeren Patientenzufriedenheit einhergehen.

Fragen: Lisa Schönemann