: Ab in die Warteschleife
Mehr als 2000 Lehrstellen fehlen in Hamburg und Traumberufe sowieso. Arbeitsamt hat wenig Hoffnung auf Besserung ■ Von Karin Flothmann
Wer jetzt noch eine Lehrstelle in Hamburg sucht, hat schlechte Karten. Denn auf einen Ausbildungsplatz kommen derzeit zwei BewerberInnen. In Zahlen: 4500 Jugendliche suchten Ende März über das Arbeitsamt eine Lehrstelle; 2450 Ausbildungsplätze stellte Hamburgs Wirtschaft ihnen zur Verfügung. Effektiv fehlen also über 2000 Lehrstellen. Vor einem Jahr, so erläuterte Hans-Otto Bröker vom Hamburger Arbeitsamt gestern, hatten hingegen „nur“1000 Ausbildungsplätze gefehlt. 1995 mangelte es an 400 Plätzen, und 1994 konnte das Arbeitsamt sogar 400 überschüssige Lehrstellen im März vermelden.
Vor allem in den Metall- und Elektroberufen ging die Bereitschaft der Arbeitgeber, Lehrlinge einzustellen, drastisch zurück. Berufe, die schon seit Jahren einen großen Reiz auf Jugendliche ausüben, sind für angehende Lehrlinge kaum noch zu ergattern. So möchten 280 Jugendliche TischlerIn werden, das Handwerk stellt ihnen derzeit aber nur 48 Ausbildungsplätze bereit. Und die 331 Jugendlichen, die gern den Beruf der ArzthelferIn erlernen würden, müssen sich mit 98 ausgeschriebenen Lehrstellen begnügen.
50 freie Stellen hält dagegen die Fleischerinnung bereit, nur acht Jugendliche interessieren sich jedoch für den Beruf des Metzgers. Im allgemeinen, so Bröker, seien Schulabgänger heutzutage jedoch „sehr flexibel“und paßten sich dem Arbeitsmarkt an. „Viele nehmen Lehrstellen an, die sicher nicht ihrem Traumberuf entsprechen.“Zudem schraubten die Betriebe ihre Anforderungen so weit nach oben, daß motivierte Jugendliche oft nicht zum Zuge kämen.
Hält der Abwärtstrend bei den Lehrstellen an, so Bröker, „dann bekommen wir im Sommer in Hamburg große Probleme.“Immerhin hätten sich längst noch nicht alle Schulabgänger um einen Ausbildungsplatz bemüht. Hinzu kämen immer mehr Bewerber aus dem Hamburger Umland. Rund 4000 Jugendliche stecken zudem noch bis zum Sommer in Berufsvorbereitungsjahren.
Schon aus gesellschaftspolitischen Gründen müßten die Betriebe ihr Angebot aufstocken. Sonst, so prophezeit Bröker, „wird es immer mehr Warteschleifen und Parkmaßnahmen geben“. Die aber werden nicht mehr im bisherigen Ausmaß vom Arbeitsamt finanziert, denn „die Mittel wurden uns zusammengestrichen“.
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