: „Bestimmt wird alles noch schlimnmer“
Erste öffentliche Plandiskussion über die Arena: Der Überzeugungswille des Oberbaudirektors war schier grenzenlos, doch die AnwohnerInnen sahen nur mehr Verkehr ■ Von Heike Haarhoff
Ein Klick auf den Diaprojektor und der Hörsaal der Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) verwandelt sich in eine Welt aus schwarz-weiß; in eine Welt, in der Männer wie Uwe Seeler noch Fußballer und die Zeiten groß und nationale und internationale Kicker-Auszeichnungen „ihrer“Elf für viele Hamburger alles waren. Soviel jedenfalls, daß man wieder stolz sein konnte, wenn auch nur auf schweißverklebte Trikot-Träger.
Oberbaudirektor Egbert Kossak holt Erinnerungen, seine Erinnerungen, per Knopfdruck zurück und wirft sie auf die Leinwand. Aber dazwischen liegen 40 Jahre oder mehr. Und nicht alle 250 Versammelten im Saal teilen sie. Da verspürt der Oberbaudirektor schon ein wenig Undank. Darüber, daß diese Leute von heute die Senats-Pläne für den Altonaer Volkspark so wenig loben und vor allem nicht erkennen wollen, daß er, Kossak, der Hansestadt „die Bedeutung des Sports Fußball“einzig über ein neues Stadion zurückzugeben vermag, über ein Stadion mit 45.000 Plätzen samt Veranstaltungs-Arena mit 15.000 Sitzen sowie Hotel, Schwimmbad und 6.000 Parkplätzen.
Zwar bestreiten die wenigsten den Verfall der „Trümmerschutt-Konstruktion“des derzeitigen HSV-Stadions. Und als Kossak die Dias der Popstars Tina Turner und Michael Jackson aus der Jacke zaubert, ist man so abgeneigt nicht gegen das verlockende Angebot von demnächst 120 Groß-Veranstaltungen plus 25 Fußballwettkämpfen jährlich. Wenn diese Parties nicht ausgerechnet vor der eigenen Haustür stattfinden sollten. Es ist das alte Dilemma, das schon Generationen von Bürgerinitiativen Beschäftigung nach Feierabend und mehr gab.
Das ist die Sorge, die die Menschen aus Lurup, Stellingen, Bahrenfeld und Eidelstedt an diesem Dienstag abend zur Diskussion mit Vertretern der Stadtentwicklungsbehörde über die Arena im Volkspark in den DESY-Hörsaal treibt. Mehr als drei Stunden harren sie aus. Wie, fragt eine Frau, soll sie künftig noch guten Gewissens ihr Kind zum Spielen nach draußen schicken, wenn sich vor der Haustür das Blech durchs Wohnviertel wälzt und die Suche nach gebührenfreien Parkplätzen zur sportlichen Herausforderung wird.
„Was“, der Vorsitzende des örtlichen Schrebergartenvereins stockt, besinnt sich der Wirkung einer kerzengeraden Körperhaltung und erhebt sich abrupt, „was ist mit unseren Kleingärten, wenn die Autobahn und die Schnackenburgallee verbreitert werden?“Seit 30 Jahren, setzt ein anderer Weißhaariger Lebenserfahrung mit statistischer Beweiskraft gleich, wohne er hier, und „so lange“herrsche rund um den Volkspark „dieses Chaos“. Bestimmt, lehrt die fatalistische Grundstimmung der Anwesenden, „wird alles noch schlimmer“.
„Mit einer Polizei, die neu denken muß“, die mit der Verkehrsbehörde Parkleitsysteme für die Besucherströme austüfteln und Anwohner in der ersten Parkreihe mit Schlüsseln für Verkehrsschranken rüsten soll, glaubt Kossak, das Problem in geordnete Bahnen zu kriegen. Häufigere S-Bahn-Takte, vielleicht gar ein Haltepunkt am Stadion, oder ein überraschendes Happy-End des Hamburg-Klassikers ,Warten auf die Stadtbahn' würde er wohl auch nehmen.
Und ansonsten hoffen, daß der Stones-Fan sich endlich dem Trend des gemeinen Cats-Besuchers anpaßt und mit seiner Bezugsgruppe im Gemeinschafts-Doppeldecker aus Buxtehude anrollt. Man wird ja älter.
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