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Abschied aus der Ökospitze

Asphalt läßt den Mythos der Umweltstadt verblassen. Freiburg will eine Stadtautobahn und fördert kaum noch Solarstrom  ■ Von Bernward Janzing

Wenn die Deutsche Umwelthilfe im Herbst die neue Ökohauptstadt präsentiert, schickt die Freiburger Stadtverwaltung nicht einmal mehr eine Pressemitteilung. Der Wettbewerb wird für die einstige Musterschülerin zu einer peinlichen Veranstaltung: Städte wie Heidelberg, Münster, Nettersheim und Eckernförde liegen vorne. Freiburgs Ökoengagement ist zum Mythos geworden.

Denn in Freiburg asphaltiert man lieber. Schon 1992, als Freiburg von der Deutschen Umwelthilfe zur „Bundeshauptstadt für Natur- und Umweltschutz“ gekürt worden war, ließ die Laudatio erahnen, daß es das letzte Mal sein sollte. „Das Verhalten der Stadt beim geplanten autobahnähnlichen Neubau der Bundesstraße 31“, so die Jury damals, werde als der „entscheidende Meßpunkt für die Ernsthaftigkeit der Freiburger Umweltpolitik“ betrachtet.

Die Stadt war gewarnt – und machte sich dennoch daran, ihre Betonpläne aus den siebziger Jahren zu verwirklichen. Statt sich für ein zweites Gleis der Höllentalbahn stark zu machen, entschied der Gemeinderat ganz knapp, bahnparallel eine vierspurige, 26 Meter breite Autobahnschneise durch die Stadt schlagen zu lassen.

Die Pläne kommen einer Einladung für den internationalen Schwerlastverkehr gleich, von der Jahrtausendwende an durch Freiburg zu fahren. Obwohl die Proteste stark sind, wurde im vergangenen Oktober mit den Vorarbeiten zum Bau begonnen. Und weil man gerade am Asphaltieren war, wurde auch eine bislang zweispurige Ringstraße im Freiburger Nordwesten durch den Mooswald vierspurig ausgebaut.

Ausbau der Straßenbahn kommt nicht voran

Ade Ökoprädikat: Allein die 600 Millionen Mark für die B 31 würden für einen mustergültigen öffentlichen Nahverkehr im ganzen Landkreis reichen.

Wenn es um den Stadtverkehr geht, stagniert in Freiburg inzwischen ohnehin alles. Eine vierspurige Straße über das Unigelände, die schon vor Jahren für den Durchgangsverkehr gesperrt werden sollte, ist noch immer offen. Der Ausbau der Straßenbahn kommt nicht voran. Und auch der Fahrradverkehr wird vernachläßigt: Erst durch massiven Druck der Umweltverbände entschied die Stadt Freiburg sich für eine Fahrradstation am Bahnhof. Die Deutsche Umwelthilfe monierte beim jüngsten Ökowettbewerb der Kommunen nicht ohne Grund fehlende Konzepte in Freiburg: Ein Integrierter Verkehrsentwicklungsplan für das gesamte Gemeindegebiet liegt nicht vor.

Auch in der Energiepolitik fällt Freiburg zurück. Die Solarstadt ist abgetreten. Gerade acht Photovoltaikanlagen mit zusammen lächerlichen 35 Kilowatt gingen 1996 in Freiburg ans Netz – schuld ist die unzureichende Förderung durch die Stadtwerke FEW. Während ökologisch orientierte Stromversorger für die Kilowattstunde inzwischen bis zu zwei Mark vergüten, werden in Freiburg nur 35 Pfennig bezahlt. So gibt es inzwischen mindestens ein halbes Dutzend Städte, die pro Kopf der Bevölkerung mehr Solarstrom produzieren als Freiburg. Bonn, Lemgo und Gütersloh führen derzeit die Hitparade an. Freiburger, die in Solarenergie investieren wollen, stecken ihr Geld bereits in Gemeinschaftsanlagen im angrenzenden Gundelfingen. Die Konditionen der dortigen Stadtwerke sind deutlich besser.

Unterdessen ging auch das einst als so fortschrittlich bekannte Müllkonzept den Bach runter. Als erste Stadt der Republik war Freiburg vor Jahren angetreten, eine biologisch-mechanische Abfallbehandlungsanlage zu installieren. Doch die Pläne wurden bald aufgegeben. Die Quittung kam vor wenigen Wochen: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte in den 40 größten Städten der Bundesrepublik die Müllentsorgung untersucht – und Freiburg ein „Konzept mit großen Mängeln“ bescheinigt. Biomüllentsorgung, Sondermüllerfassung und Entsorgungstechnik seien mangelhaft, die Wertstofferfassung gerade befriedigend. Und der nächste Ärger steht den Freiburger Abfallbetrieben schon ins Haus: Wenn demnächst die Biotonne flächendeckend eingeführt wird, sollen auch Bürger mit eigenem Komposthaufen für die Tonne bezahlen müssen, die sie nicht brauchen.

Die langjährige Vorreiterrolle hat träge gemacht; in den Ämtern bleibt manches liegen. Einen Biotopverbund im Siedlungsbereich, den Karlsruhe und Stuttgart zum Beispiel haben, hat Freiburg nicht. Und unter dem Stichwort Wasser gab es nur einen Platz im Mittelfeld – die Jury vermißte eine Förderung der Regenwassernutzung und Programme zum Wassersparen.

Allein ein Klimaschutzgutachten gibt es in Freiburg. Die Stadt hat es mit viel Pressewirbel von Öko-Institut, Prognos und Wuppertal Institut gemeinsam erstellen lassen. Konsequenzen? Keine – zumindest nicht beim Verkehr. Der Bau der B 31 läuft den Empfehlungen der Studie auf groteske Weise zuwider.

Nur in einem Punkt brilliert Freiburg noch immer: bei der Selbstdarstellung in Sachen Öko. In der Müllstudie des BUND bleibt für Freiburg ein einsames „sehr gut“ bei der Öffentlichkeitsarbeit.

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