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Massendemonstration vor deutscher Botschaft

■ Über 100.000 Menschen protestieren in Teheran gegen das „Mykonos“-Urteil. Bundesaußenminister Kinkel kündigt eine Neubewertung der Iran-Politik an

Teheran/Bonn (dpa/AP) – Mit einer friedlich verlaufenen Massendemonstration von mehr als 100.000 Menschen vor der deutschen Botschaft in Teheran hat Iran gestern auf das Urteil im Berliner „Mykonos“-Prozeß reagiert. In dem Urteil war die iranische Führung für den Mord an vier Oppositionspolitikern mitverantwortlich gemacht worden. Die Demonstranten verurteilten den Richterspruch vom Donnerstag als „israelisch-amerikanisches Komplott“ und riefen nach einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland. In einer später verlesenen Resolution wurde dann jedoch nur eine Herabstufung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen gefordert.

Mehr als 600 Polizisten und Wasserwerfer sicherten das Botschaftsgelände. Ein Polizeioffizier sagte, er habe Befehl, dafür zu sorgen, daß die Demonstration „unter allen Umständen friedlich“ verläuft. Polizisten verhinderten, daß eine deutsche Flagge und eine Puppe, die den als „Faschisten“ titulierten Berliner Gerichtsvorsitzenden Frithjof Kubsch darstellen sollte, verbrannt wurden. Auch bei den Slogans hielt sich die Menge auffallend zurück, sie waren hauptsächlich gegen die USA und gegen Israel gerichtet.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel kündigte Konsequenzen für die deutsche Iran-Politik an. Die Beteiligung staatlicher iranischer Stellen an der Ermordung von vier iranisch-kurdischen Oppositionellen in dem Berliner Restaurant sei ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, sagte Kinkel der Welt am Sonntag in seinem ersten Interview nach Verkündung des Urteils am Donnerstag.

Kinkel sagte, eine „Neubewertung“ der deutschen und europäischen Iran-Politik sei jetzt notwendig. Deutschland wolle keinen Abbruch der über hundert Jahre alten Beziehungen. Einen Dialog um jeden Preis könne es aber nicht geben. Die Grenzen seien erreicht, wenn das Völkerrecht und die Souveränität eines anderen Landes massiv verletzt würden.

Als Reaktion auf die Maßnahmen der Länder der Europäischen Union nach dem „Mykonos“-Urteil will Iran seine Botschafter aus den Ländern der Europäischen Union abberufen, meldete die iranische Nachrichtenagentur Irna gestern unter Berufung auf einen Sprecher des Außenministeriums. Das iranische Parlament trat zu einer Sitzung hinter verschlossenen Türen zusammen, um über die künftigen Beziehungen zu Deutschland zu beraten. Zuvor hatte der stellvertretende Parlamentspräsident Hassan Rowhani einen Stopp aller Investitionen in Ostdeutschland gefordert.

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