: Parteien steuern nächsten Gipfel an
■ Keine Einigung beim Steuergipfel zwischen Kohl und Lafontaine. Die Gespräche gehen trotzdem weiter
Bonn (taz) – Die Koalition und die SPD sind sich bei ihrem dritten Spitzengespräch zur Steuerreform gestern nicht erkennbar nähergekommen. Die Gespräche sollen am 22. April in großer Runde – also erneut mit Bundeskanzler Helmut Kohl und SPD-Chef Oskar Lafontaine – fortgesetzt werden. Unmittelbar nach den Verhandlungen wollte Bundeskanzler Helmut Kohl keine Prognose abgeben, ob die Einigung gelingen werde. Bei den vorangegangenen Verhandlungen habe man „einige Stunden zivilisiert über die verschiedenen Themen gesprochen. Ich habe den Eindruck, daß die sozialdemokratischen Kollegen und die Koalitionskollegen wissen, daß es eine wichtige Sache ist.“
Auf der Pressekonferenz nach den Verhandlungen lautete der erste Satz von Lafontaine: „Wir haben ausführlich über die Senkung der Sozialabgaben und die Steuerreform diskutiert.“ Lafontaine konnte keinen Punkt nennen, in dem sich die beiden Seiten entgegengekommen wären. Auf Nachfrage, weshalb die Gespräche überhaupt fortgesetzt werden, antwortete er: „Es besteht der Eindruck, daß eine Einigung erreicht werden kann.“ Die Argumente der SPD seien erkennbar auf die Bereitschaft zum Nachdenken gestoßen. Man wolle der Koalition Zeit geben, eine einheitliche Linie zu finden, da etliche Minister unterschiedliche Vorstellungen zur Steuerreform hätten. Als Hauptdifferenzen bezeichnete der SPD-Chef die sozial ungerechte Verteilungswirkung der Steuersenkungen sowie das Finanzierungsloch in Höhe von 56 Milliarden Mark.
Der erste Satz von Bundesfinanzminister Theo Waigel, der für die Koalition sprach, lautete: „Unabhängig von den Gesprächen, die fortgesetzt werden, befindet sich die Koalition im Zeitplan.“ Er spielte damit darauf an, daß die Regierung unabhängig vom Verhandlungsergebnis mit der SPD den gesetzgeberischen Weg weitergehen wird. In den ersten Minuten seiner Erklärung ging der Finanzminister mit keinem Wort auf das Gespräch mit der SPD ein. Statt dessen berichtete er von den Reaktionen von Verbänden, die das CDU- Konzept befürworten und die SPD-Vorstellungen ablehnen. Im Gegensatz zu Lafontaine, der erklärt hatte, das Klima nicht durch Kritik an der Koalition belasten zu wollen, attackierte Waigel die Sozialdemokraten. Er verwehre sich gegen die „böswillige Unterstellung“, daß sein Konzept eine Finanzierungslücke von 56 Milliarden Mark aufweise. In Wirklichkeit seien es lediglich 18 Milliarden, denn das Loch könne durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt geschlossen werden. Es sei unseriös, wenn die SPD sich einerseits über eine Finanzlücke beklage und andererseits das Kindergeld erhöhen wolle. Entgegen vorherigen Spekulationen gab es auch keine Einigung über den Spitzensteuersatz, den die CDU auf 39 Prozent senken und die SPD bei 53 Prozent belassen will.
Vor dem Spitzengespräch hatte SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping deutlich gemacht, daß die SPD kein uneingeschränktes Interesse an einem Erfolg der Verhandlungen hat. Es sei kein politisches Drama, wenn die Gespräche scheiterten. „Wenn's nicht klappt, gibt es eben den normalen parlamentarischen Weg.“ Markus Franz
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