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Nicht ohne meine Krankenschwester

■ Das Sterben an den Folgen von Aids, ohne aufgesetzte Betroffenheit erzählt: Suzanne van Lohuisens Stück „Dossier: Ronald Akkermann“ im carrousel Theater

Er ist längst begraben, aber er läßt sie nicht los. Ihren Dienst hat sie abgesagt, sich zu Hause versteckt. Eine perfekte Krankenschwester wollte sie sein, aber sie hat es nicht geschafft, die Distanz zu wahren.

Er sei ein Teil von ihr geworden, sagt sie, „ein Freund“. Er war schwul und aidskrank, sie seine Krankenschwester und Hauspflege. Jetzt, da sie sich wieder und wieder in seine Krankenakte vertieft, verfolgt der Tote sie in einer Art Halluzination, kehrt zurück, um Seelenfrieden zu finden und um „ein bißchen zu zanken“.

Das Zweipersonenstück der Niederländerin Suzanne van Lohuisen, 1995 auf deutsch uraufgeführt und seither auch hierzulande bereits einige Male nachgespielt, ist ein kurzes, kompaktes und eindringliches Kammerspiel um Sterben und Sterbebegleitung.

Zwei Menschen rekapitulieren ihre Beziehung zueinander: das anfängliche Mißtrauen, die schwierige Phase der Annäherung. Schließlich lernen sie sich schätzen, respektieren und sogar ein bißchen lieben.

Sie kommt mit Vorurteilen, Helfersyndrom und Ängsten beladen zu ihrem Pflegling; er ergeht sich in selbstgefälliger, egoistischer Ignoranz. Die Autorin wie auch Regisseur Steffen Pietsch vermeiden es, Partei zu ergreifen. Die Zuschauer werden hin- und hergerissen mit ihrer Sympathie. Hier der jähzornige, um sein Leben kämpfende Kranke, dort die sich hinter Pflicht und Professionalität verschanzende Schwester. Die Gefahr eines allzu tränendrüsigen Realismus umgeht die Regie mit einer betont distanzierten Spielweise. Wirkliche Gefühlsausbrüche sind selten; die meisten Regungen und Konflikte werden allein durch Modulationen im Sprechen, durch plötzliches Innehalten und subtile Körperhaltungen umgesetzt. „Als es darauf ankam, ließest du mich im Stich“, wirft er ihr vor. „Du wolltest mich tot haben, aber du wolltest es nicht tun.“

Als die Ärztin erscheint, um ihm mit einer Spritze Sterbehilfe zu leisten (ein in den Niederlanden seit einiger Zeit mögliches und inzwischen sehr gängiges Verfahren), bleibt sie nicht bei ihm, sondern läßt ihn allein. Er fühlt sich verlassen und verraten, sie sich überfordert. Eine ausweglose Situation.

Elke Reuter und Frank Panhans spielen ruhig, überlegt, die künstliche Ausgangssituation des Stücks auch in ihre Rollen übertragend. Immer wieder umkreisen sie die hölzerne Wartebank, die inmitten des Bühnenraums steht (Ausstattung Alwin Eckert). Umkreisen sich und ihr wechselhaftes Verhältnis. Aufarbeitung ist angesagt. Erzählen, um zu bewältigen. Es gelingt ohne geheuchelte, aufgesetzte Betroffenheit, sondern mit einer nicht nachlassenden Spannung. Axel Schock

Nächste Vorstellung heute sowie am 15., 22. und 23. Mai, jeweils 18 Uhr, carrousel Theater, Parkaue 29

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