: Von den ersten Bildern zu letzten Blicken
■ Eine Foto-Ausstellung dokumentiert „20 spannende Jahre“Rock- und Popgeschichte in der Markthalle
Klar, die Konzertfotografie ist nur noch ein einziges großes Klischee. Futter für die Verklärung, von der Industrie längst als Werbeträger ausgewrungen. Trotzdem hält die Ausstellung Markthalle – 20 spannende Jahre einige erkenntnisbringende Bilder parat, da sollte man sich nicht vom einfallslosen Titel täuschen lassen. Schweiß und Schwänze und all die anderen unappetitlichen Körperlichkeiten spielen hier naturgegebenermaßen eine Rolle, verhindern aber beim Flanieren durch die Fotoalleen nicht den einen oder anderen erstaunlichen Moment des Wiedererkennens. Wobei unwichtig ist, ob man bei den Konzerten selbst anwesend war. Schließlich reden wir vom Mythos Rock 'n' Roll, und der wurde mehr als von eigenen Erlebnissen durch Berichte des großen Bruders oder der frühreifen Nachbarstochter geprägt.
Denn die waren dabei, als The Clash 1980 wegen ein paar Handgreiflichkeiten von den Bullen eingesackt wurden. Oder als AC/DC 1977 vor diesen viel zu großen Marshall-Türmen rumsauten. Stets dabei war auch Hardy Schiffler, der eigentlich den Jazz liebt, aber den Rock dokumentiert. Lakonisch sind die Fotografien des heute 55jährigen, auf denen die Künstler aussehen, als ob sie in einer Gucckastenbühne agierten. So entsteht eine Chronologie der frühen Tage – unbeteiligt, aber aufschlußreich.
Von den ersten Bildern zu den letzten Blicken: Die schönsten Beiträge zur Rockumentary stammen von Moni Kellermann. Sie bewegen, weil sie von den raren Momenten der Bewegungslosigkeit handeln. Wohin, verdammt noch mal, schauen all die Ikonen? Nirvanas Kurt Cobain zum Beispiel sitzt 1991 bei den Proben vor dem letzten Hamburg-Auftritt neben den Drums und starrt ins Nichts. Nico sieht 1985 aus wie eine langverschüttete Sphinx – verwittert und wunderschön. Alle schauen Nico an, Nico aber schaut niemanden an.
Für Kellermann schließen Gravität und Gimmick einander nicht aus. Weshalb ein Mitglied der Leaving Trains nackig in den zugigen Räumen der kleinen Markthalle posiert. Kraftmeierei und Sexismus, die Irrlichter der Konzertfotografie, bläst die Bildermacherin burschikos aus. Und oft entlarvt sie die Pose der einen, ohne den Privatbereich von anderen zu durchbrechen.
Ähnlich behutsam geht Arno Declair zu Werk, der leider nicht repräsentativ in der Ausstellung vertreten ist. Zu kurz ist seine Fotostrecke. Immer wieder imposant, wie er auf Konzerten erst zwischen den Zuschauern mitwippt, um dann schnell die Kamera auszupacken. Das vermeintlich nebenbei entstandene Bild bringt dann alles auf den Punkt. Arno Declair ist ein Agent des Publikums.
Jörg-Martin Schulze agiert da eher als agent provocateur. Der jüngste unter den vier Fotografen der Markthallen-Rückschau verharrt stets mit einem riesigen Teleobjektiv in der Haltung des Ornithologen vor der Bühne, und die wilden Tiere darauf wissen, daß sie sich ins Zeug legen müssen. Deshalb sehen die meisten wilder aus oder schöner oder trauriger, als sie zu träumen wagen. Die Folksängerin Penelope Houston etwa erinnert an einen Engel, der Sänger der H-Blockx gibt den Bodybuilder. Nur Henry Rollins wurde mit einer ungewöhnlichen Grimasse erwischt – der humorlose Bauklotz kichert. Christian Buß bis 2. Mai, tgl. 18-22 Uhr, Markthalle, Klosterwall 9-12
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