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Und plötzlich ist auch der Mörder tot

Ein Algerier stirbt in der Haft. Zuvor hatte er im Fernsehen erklärt, einen mächtigen Gewerkschaftsboß erschossen zu haben. Oppositionelle hielten dieses Geständnis für eine Inszenierung  ■ Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – Der Mord an Abdelhak Benhamuda, Generalsekretär des algerischen Gewerkschaftsverbandes UGTA, wird wohl nie aufgeklärt werden. Der einzige, der die offizielle Version eines Attentats von Islamisten hätte widerlegen können, der von der Polizei als Täter gehandelte Raschid Medschahid, hat die Haft nicht überlebt. Laut amnesty international starb er am 26. Februar. „Wir vermuten, daß Medschahid staatlichem Mord zum Opfer gefallen ist“, heißt es in einem jetzt von ai veröffentlichten Bericht.

Medschahid war drei Tage vor seinem Tod im algerischen Fernsehen als geständiger Mörder präsentiert worden. Zur Hauptsendezeit erklärte er mit ruhiger Stimme, mit vier Komplizen habe er den Gewerkschafter am Mittag des 28.Januar vor der UGTA-Zentrale in Algier abgepaßt und mit MP-Salven niedergestreckt.

Sofort wurden Zweifel an der Echtheit der Aussage laut, paßten sie doch nur zu gut ins Konzept der Militärmachthaber. Diese wollten Stimmen zum Verstummen zu bringen, die nicht an ein islamistisches Attentat glaubten. Benhamuda selbst hatte die Zweifel befördert. „Kamal, Bruder, man hat uns verraten“, hauchte der tödlich Verletzte einem Mitarbeiter zu.

Eine Vermutung über den Kreis der Täter lag auf der Hand. Benhamuda wollte die Gewerkschaftsarbeit niederlegen, um bei den Parlamentswahlen am 5.Juni mit einer eigenen Partei anzutreten, um Staatspräsident Liamine Zéroual unter die Arme zu greifen. Einem Teil des Militärs gefiel diese Idee nicht. Sie fürchteten, dem charismatischen UGTA-Chef könne es gelingen, das Militär aus der Politik zu drängen. Oppositionelle wie der Vorsitzende der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS), Hocine Ait Ahmed, sind davon überzeugt, daß Benhamuda von Militärs ermordet wurde. Diesen Verdacht nähren neue Indizien. So recherchierte die französische Zeitschrift Afrique Asie, daß wenige Minuten vor dem Attentat alle Polizisten um die UGTA-Zentrale „dringend ins Kommissariat zitiert wurden“. Die Familie Raschid Medschahids wurde erst am 2. April, über einen Monat nach dem amtlichen Todestag, über Verhaftung und Tod ihres Sohnes verständigt und in ein Krankenhaus bestellt. Der dort aufgebahrte Körper wies Schußverletzungen auf.

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