„Wir laufen einfach ins Chaos“

■ Elternvertreter werden mit Kleinkram zugeschmissen und von der Politik nicht ernstgenommen. Heidrun Huthoff trat frustriert zurück

Zu groß war der Frust: Heidrun Huthoff ist nach zwei Jahren im Vorstand des Zentralelternbeirats (ZEB) zurückgetreten. Die 41jährige Juristin aus Habenhausen ist Elternvertreterin des dortigen Schulzentrums und Mutter von vier Kindern. Nach Geburt ihres jüngsten Sohnes gab sie vor drei Jahren ihren Anwaltsberuf auf. Nun sucht sie ein neues Betätigungsfeld.

taz: Hat der ZEB nicht genügend Einfluß, um die Situation an den Schulen zu verbessern?

Heidrun Huthoff: Auf dem Papier hat er unendlich viel Einfluß. Im neuen Schulgesetz ist Elternmitarbeit festgeschrieben. Der ZEB ist gewünschtes Organ seitens der Politik. Er wird zu jeder Frage angeschrieben, sei sie auch noch so klein und gering. Aber was dabei rauskommt, fließt in die politischen Ergebnisse dann fast nicht mit ein.

Was war für Sie der Auslöser, sich zurückzuziehen?

Das ist die ständige Verschlechterung. Bremen sagt, wir müssen sparen, weil wir ja den Länderfinanzausgleich kriegen. Das Problem ist nur, daß wir es nicht schaffen, ein Niveau zu halten, um unseren Kindern zukunftsweisende Wege zu öffnen. Es haben sich im pädagogischen und wissenschaftlichen Bereich Riesen-Wege aufgetan, die man gehen kann, die man gehen muß und die nicht zu gehen sind, weil es kein Geld gibt.

Geht es denn nur um Geld?

Es ist nicht immer nur eine Frage von Finanzen. Aber es ist schon die Frage. Das fängt an mit der Lehrerversorgung. Bremen sagt, wir haben im Bundesdurchschnitt gesehen eh zu viele. Dabei sieht der Bundeselternrat sehr wohl, daß wir überall nicht auskommen. Wir brauchen junge Lehrer, weil wir wissen, was in fünf oder in zehn Jahren passiert. Dann werden ganze Kollegien abgelöst. Es kommt ein ganzer Stamm Junglehrer, die keine Erfahrung haben und keine Zeit, in Aufgaben reinzuwachsen. Wir laufen einfach ins Chaos und unsere Politik weiß das auch.

Mit welchen konkreten Vorschlägen sind Sie denn an die Wand gefahren?

Wir sind steckengeblieben, als die Bildungssenatorin Vorschläge für neue Lehrer-Arbeitszeitmodelle gemacht hat und gleichzeitig die Stundenerhöhung angedroht hat. Die neuen Arbeitszeitmodelle wollte sie aber in einer Kürze der Zeit umsetzen, die für die Kollegien überhaupt nicht annehmbar war. Für uns Eltern auch nicht. Sie hat gehofft, daß wir sie unterstützen. Vom Grundansatz her tun wir das auch. Eltern sind für Arbeitszeitmodelle, weil sie eine andere Art von Betreuung und von pädagogischem Konzept an den Schulen bedeuten. Auf der anderen Seite sollen sie ihre Lehrerpolitik mit den Lehrern machen und mit der Gewerkschaft. Natürlich finden wir das eine Modell besser als das andere. Die lineare Arbeitszeiterhöhung schließt Junglehrer aus. Wir werden eine Stundenversorgung haben, wie wir sie lange nicht hatten....

...aber das eigentliche Problem ist damit nicht vom Tisch...

Nein.

Was verhindert Einflußnahme auf die Behörde?

Der ZEB wird zugeschüttet mit Papier. Es ist oft Kleckerkram. Zu Lehrerversorgung, Unterrichtsmaterialien, Raumversorgung, was uns primär interessiert, worum wir uns kümmern möchten, dazu kommen wir gar nicht. Das geht mit unter, weil alles untergeht.

Was könnte man weglassen?

Was wir alles zu lesen kriegen! Zum Beispiel Putzfrauen, die Privatisierung des Reinigungspersonals. Muß uns als Eltern das interessieren? Als politisch denkende Menschen vielleicht. Aber als Eltern kann es uns eigentlich egal sein. Kriegt aber leicht so einen Anstrich von „unsolidarisch“. Oder Lehrerarbeitszeit. Ob die 70 oder 25 Stunden die Woche arbeiten müssen, das interessiert mich im Grund eigentlich nicht. Ich will anständige Unterichtsversorgung für meine Kinder und das wollen alle anderen Eltern auch.

Sie sind ja im ZEB-Vorstand eine reine Frauencrew, die alle Kinder zu Hause haben, sich aber die Zeit flexibel organsieren können? Können sich berufstätige Menschen eigentlich engagieren?

Nein, es kann keiner mitmachen, der einen festen Job hat. Ich hatte schon Behördengespräche, da habe ich gesagt, Sie können uns nicht Zeiten vorgeben, sondern wir geben die Zeiten vor. Sie kriegen Ihre Arbeitszeit bezahlt, wir nicht. Das führt zu unschöner Stimmung. Wenn ich um 14 Uhr einen Termin kriege, dann heißt es, die Senatorin oder der Herr soundso kann nicht anders. Deputationssitzungen sind immer vormittags. Wer soll das denn schaffen außer Hausfrauen? Aber die sind dann auch angeschissen. Die dürfen dann nachts stehen und ihren Krempel fertigkriegen. Das finde ich so frustrierend.

Was müßte anders laufen?

Ich habe vorgeschlagen – das hat unsere Bundesfamilienministerin angedacht – ehrenamtliche Arbeit zu behandeln wie Betriebsratsarbeit. Mit Freistellungen. Dann könnten auch mehr Väter sich einbringen. Dann gäbe es eine gesunde Mischung von Erfahrungen. So sind es nur Frauen, die ihr Arbeitsfeld sowieso nicht anerkannt sehen und die auch noch mit diesem Frust belastet werden. Das kann doch nicht sein! Das ist nicht demokratisch. Es gibt ja Vorschläge, ehrenamtliche Arbeit zu finanzieren. Ich will kein Geld haben. Aber ich will nicht noch Geld mitbringen müssen, Fahrgeld, Geld für Fortbildung. Dann heißt es , wir wollen ehrenamtliche Arbeit nicht kommerzialisieren. Da lach ich mich tot.

Wann würden Sie sich wieder engagieren?

Wenn ich sage, ich möchte gerne den Finanzsenator sprechen, um gemeinsam mit dem Bildungssenator und Elternvertretung zu überlegen, wie sich Wege finden lassen, dann möchte ich, daß diese Bitte ernstgenommen wird, daß man wenigstens den Versuch von Gespräch startet. Und solange nicht mal im Ansatz die Bereitschaft da ist, zu denken.... Das schafft ja sogar Herr Kohl mit Herrn Lafontaine, aber in unserem kleinen Mini-Kaff passiert sowas nicht. Es stinkt mir einfach.

Interview: Joachim Fahrun