: Ford tut was für die Kasse
Geschäftsführung und Betriebsrat schließen einen Pakt: Arbeiter verzichten auf Lohn, Ford spart 200 Millionen und bleibt in Deutschland ■ Von Barbara Dribbusch
Berlin (taz) – Nullrunden, Samstagsarbeit ohne Zuschläge und andere Zugeständnisse an die Geschäftsführung – das ist der Preis, den die Beschäftigten der Ford-Werke zahlen müssen, um die Autofertigung auch künftig in Deutschland zu halten. Unternehmensleitung und Betriebsrat unterzeichneten am Dienstag nachmittag eine sogenannte Investitionssicherungsvereinbarung. Mit diesem Sicherungsvertrag sollen die Jobs an fünf deutschen Standorten der Ford-Werke AG bis über das Jahr 2000 hinaus gesichert werden.
Die neuartige Vereinbarung sei ein Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens, sagte der Ford-Vorstandsvorsitzende in Deutschland, William Boddie. Er sprach von „mehreren Milliarden Dollar“, die in Deutschland investiert werden sollen. Betroffen sind die Werke Köln, Saarlouis, Düren, Wülfrath und Berlin mit zusammen rund 35.000 MitarbeiterInnen. Im Werk Saarlouis soll künftig der Nachfolger des heutigen Ford Escort gebaut werden. In Köln werden in den nächsten Jahren auch der Nachfolger des Fiesta-Modells und neue Triebwerke produziert.
Damit das Unternehmen Kosten spart, verzichten die Beschäftigten bis 1998 auf Gehaltserhöhungen. Das geht ohne Tarifvertragsbruch; die tariflich vereinbarten Lohnsteigerungen werden einfach mit Kürzungen bei den übertariflichen Leistungen verrechnet. Bis Ende 1998 werden auch übertarifliche Schichtzulagen reduziert. An Heiligabend und Silvester wird kein Lohn mehr gezahlt, die Feiertage werden statt dessen als Freischichten berechnet.
Die Arbeitszeiten werden flexibilisiert. Es gibt einen zusätzlichen Arbeitszeitkorridor von 70 Stunden im Jahr für jeden Beschäftigten. Bis zu dieser Stundenzahl werden künftig Überstunden – auch Samstagsarbeit – geleistet, ohne daß die bisherigen hohen Überstundenzuschläge fällig werden.
Arbeiter, die vorzeitig in Rente gehen, müssen mit Abschlägen rechnen. In Zukunft soll nicht mehr wie bisher die ganze Lücke zwischen der gesetzlichen Rente und dem Satz von 75 Prozent des bisherigen Einkommens geschlossen werden. Die Ford-Werke beraten aber über die Einrichtung sogenannter „Seniorenkonten“. Hier könnten die Beschäftigten Arbeitszeit ansparen und dann im Rahmen von Altersteilzeitmodellen später mit Freizeit verrechnen.
Durch die Kürzungen bei übertariflichen Leistungen und die neuen Arbeitszeitmodelle wollen die fünf Ford-Werke in Deutschland etwa 200 Millionen Mark im Jahr sparen. Das sind etwa sechs Prozent der Personalkosten in den betroffenen Werken.
Im Unterschied zu ähnlichen Vereinbarungen bei der Mercedes-Benz AG wurde bei Ford keine ausdrückliche Beschäftigungsgarantie für die Arbeitnehmer festgeschrieben. Es gebe „eine sehr hohe Sicherheit“, daß die Zahl der Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gehalten werden könne, sagte ein Unternehmenssprecher.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wilfried Kuckelhorn erklärte, mit der Vereinbarung sei die Existenzgrundlage der Beschäftigten für mehr als ein Jahrzehnt gesichert worden. Im Jahr 1996 hatte der Konzern einen Verlust von 552 Millionen Mark gemacht.Kommentar Seite 10
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