: Zurück bleiben nur die Schwächsten
Sicherheitsrat „besorgt“ über die Lage in Zaire. Erneut 80.000 Menschen auf der Flucht, darunter bewaffnete Hutu-Milizen. Spannungen zwischen Ruanda und Zaire-Rebellen ■ Aus Nairobi Andrea König
Ruandische Regierungsvertreter, Vertreter der zairischen Rebellenallianz und Mitarbeiter von Hilfswerken haben am Donnerstag die Lager bei Kilometer 7 südlich von Kisangani besucht. Die zwei Lager von Kasese, in denen rund 50.000 ruandische Hutu- Flüchtlinge lebten, sind leer. Das südlicher gelegene Lager Biaro ebenfalls. Nach Angaben der Hilfswerke befanden sich in den Lagern südlich von Kisangani 80.000 Flüchtlinge. Neunzig Menschen seien täglich an Unterernährung oder Krankheit gestorben.
Nichts schien angesichts dieser Tatsache logischer, als die RuanderInnen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückzubringen. Doch die Hilfswerke wurden blockiert, in den Lagern brachen Kämpfe aus, Zairer erzählen in Kisangani, daß Bulldozer in den Lagern Leichen begraben hätten. Eine Bestätigung dieser Gerüchte ist schwer zu finden. UN-Generalsekretär Kofi Annan wirft den Rebellen vor, sie wollten die Flüchtlinge aushungern. Und der Sicherheitsrat zeigt sich „alarmiert“ über Berichte von Massakern und fordert die Rebellen auf, den Hilfsorganisationen Zugang zu den Flüchtlingen zu geben. Die UN setzt jetzt sogar Flugzeuge ein, die nach den Flüchtlingen suchen. Diese Entwicklung kann kaum im Interesse der Allianz liegen, der sehr viel an ihrem Image der „gewaltlosen Rebellion“ liegt. Es bleibt die Frage, ob die Allianz nun den Tribut zahlen muß, den sie Ruanda für seine Unterstützung schuldet.
Ruanda war durch die Million Flüchtlinge, unter denen sich die militanten Hutu-Extremisten verbargen, entlang seiner Grenzen massiv bedroht. Und als das UNHCR es nach über zwei Jahren noch immer nicht geschafft hatte, die Geiseln von den „Bösen“ zu trennen, schaffte die Rebellion der Banyamulenge Ruanda den idealen Vorwand, dies selbst zu tun. Die Lager wurden geräumt, die Mehrheit der Flüchtlinge nach Hause geholt, aber Hunderttausende setzten sich ab, nach Tingi Tingi, nach Ubundu und in die Region südlich von Kisangani. Und überall, wo die große Masse sich erneut auf den Weg machte, blieben die Schwächsten zurück und erzählten vom Terror der bewaffneten Anführer unter ihnen.
Kabila hatte Anfang März gesagt, es dürften keine Lager mehr entstehen, und die Flüchtlinge müßten zu Fuß nach Ruanda zurück. Nun sagt auch Radio Ruanda, die ruandische Regierung sei gegen eine Luftbrücke gewesen und hätte auf einen Rücktransport über die Straße gedrängt, „um auch jene Flüchtlinge aufzugreifen, die noch immer zwischen Walikale und den Lagern in Kisangani verstreut sind“. Das klingt sehr humanitär. Es stellt sich aber die Frage, ob Ruanda ein Interesse daran hat, den „harten Kern“ ins eigene Land zurückzuholen. Denn diejenigen, die bis heute durch den Busch ziehen, gehören vermutlich zu denen, die am Völkermord von 1994 die Hauptverantwortung tragen. Zwischen der Allianz und Ruanda herrscht Anspannung. Der Finanzminister der Allianz hatte Anfang der Woche harsche Worte an Kigali gerichtet: Die Forderung der Ruander, die Flüchtlinge in Goma über die Grenze abzuschieben, habe die Allianz Zeit gekostet und behindere jetzt den Vormarsch auf Kinshasa. Er fragte, weshalb die Flüchtlinge, die ja Ruander seien, nicht direkt nach Kigali geflogen würden.Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen