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Warten auf den Wechsel

In Hamburg hat der Wahlkampf schon begonnen. Im September könnte Rot-Grün im Rathaus regieren. Doch wie koalitionsfähig ist die SPD?  ■ Aus Hamburg Silke Mertins

Ein kollektives Wutschnauben ging durch die Hamburger SPD: „Ein Wechsel“, hatte Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) vergangene Woche in der Lokalpresse verkündet, würde der seit fünfzig Jahren fast ununterbrochen regierenden SPD in der Hansestadt „guttun“. Und zwar „jeder Wechsel“. Am 21. September sind Bürgerschaftswahlen, in der Elbmetropole tobt der Vorwahlkampf, und Schmidt empfiehlt die Oppositionsparteien. Die Roten konnten es nicht fassen. „Ich mußte daran denken“, giftet ein führender Sozialdemokrat hinter vorgehaltener Hand, „was die Eskimos mit ihren Alten machen.“ Dabei spricht der Altkanzler nur aus, was viele denken: Bloß nicht noch mehr Sozialdemokratie wagen. Die Strukturen gelten als verkrustet, die Politik der hanseatischen SPD als unbeweglich und verfilzt. Zu viele, stöhnen selbst Genossen, sind nur deshalb in der SPD, weil es die Partei der Macht ist. Manche Grüne sind gar so verzweifelt über die lähmende Bewegungslosigkeit der SPD, daß sie sich von Herzen eine schwarz- grüne Koalition wünschen. „Die Menschen haben die Schnauze voll vom SPD-Senat, von der Arroganz der Macht und der Überheblichkeit, mit der diese Macht verwaltet wird“, poltert auch die eigens für die Wahlen aus Bonn an die Elbe zurückgekehrte Grüne Krista Sager. Doch eine Koalition mit der CDU kann sich die wohl prominenteste grüne Politikerin der Republik nicht vorstellen. Denn Joschka Fischer ließ die profilierte Bundesparteisprecherin auch deshalb einigermaßen klaglos ziehen, weil er sich in Hamburg ein rot- grünes „Signal für Bonn“ erhofft.

Die Bürgerschaftswahlen sind die vorletzten Landtagswahlen vor dem Urnengang zum Bundestag 1998. Mit dem „Wahlkampfschlager“ und Medienliebling Krista Sager hofft der Realo-Flügel ein grünes Rekordergebnis zu erzielen. Derzeit liegt die Hamburger Grün- Alternative Liste (GAL) in Umfragen konstant bei 20 Prozent. Eine Traumzahl, die in einem Flächenstaat wie Niedersachsen, wo im kommenden Frühjahr gewählt wird, nie erreicht werden könnte. Nach heftigem innerparteilichem Flügelschlagen konnte Reala Sager sich mit einer satten Zweidrittelmehrheit als Spitzenkandidatin durchsetzen. Damit ist der GAL- Kurs klar: Sager steht für Rot- Grün. Doch wofür steht die SPD?

Selbstzufrieden blickt Bürgermeister Henning Voscherau in die Runde. Der dienstälteste hanseatische Regierungschef, den seine Fraktionsvorsitzende gern als „Hamburgs ungekrönten König“ bezeichnet, hat wieder einmal die Presse ins noble Senatsgästehaus an der Alster geladen, um hofzuhalten. Zwischen Schnittchen und Hühnersuppe verzieht er das Gesicht. Doch, doch, Krista Sager sei schon „eine brillante Verkörperung grüner Inhalte“. Das sei ja gerade das Problem. Jeder weiß: Er kann sie nicht leiden. Sie ihn übrigens auch nicht. Man kennt sich aus der Bürgerschaft und von den langen Koalitionsgesprächen 1993. „So nah waren wir dran“, sagt ein SPD-Mitglied aus der Verhandlungskommission und preßt Daumen und Zeigefinger fast aufeinander. Doch der rechte SPD-Mann Voscherau wollte von seinen Großprojekten – vierte Elbtunnelröhre und Hafenerweiterung – nicht lassen. Die zahlreichen Rot- Grün-Fans in der SPD kuschten. Man verhandelte mit der von einem CDU-Dissidenten gegründeten Wählergemeinschaft „Statt Partei“ und wurde sich schnell einig. Voscherau weint den „Grauen“, wie sich die Stattianer nennen, schon jetzt hinterher. Dieses Regierungsbündnis war „reibungsloser, als wenn wir lauter Sozis dringehabt hätten“. So schön wird's nie wieder, denn die bürgerliche Protestpartei liegt derzeit in Umfragen bei einem Prozent.

Die Gelegenheit für ein rot-grünes Bündnis wäre günstig wie selten zuvor. Die von der GAL jahrelang bekämpften umweltfeindlichen Bauprojekte sind inzwischen irreversibel. Der Wiedereinzug der FDP ist kein Selbstgänger. Joschka Fischer hat Voscherau sogar versprochen, ihn 1998 als Finanzminister nach Bonn zu holen, wenn er in Hamburg seinen „rot-grünen Freischwimmer“ besteht. Die Vorstellung, ihre Macht tatsächlich mit einer Partei teilen zu sollen, die klar andere Akzente setzt, fällt der SPD schwer. Das rote Wahlprogramm enthält nur eine einzige Botschaft: Weiter so! Ihm sei „egal“, wer unter ihm „Mehrheitsbeschaffer“ wird, machte Voscherau bereits mehrfach sein Politik- und Koalitionsverständnis deutlich. Und liebäugelt mit den Konservativen. Der smarte CDU- Hoffnungsträger und Spitzenkandidat Ole von Beust zwinkert zurück. Er will seine Partei aus dem historischen Tiefstand von 25,1 Prozent der letzten Wahlen zu neuen Höhenflügen und in die Regierung führen. Und das geht in einer roten Metropole – in Umfragen ist die SPD mit 40 Prozent nach wie vor stärkste Fraktion – nur mit Voscherau zu holen. „Hamburg ist keine Stadt für eine große Koalition“, warnt Sager. Doch die GAL kann sie rein rechnerisch nicht verhindern. Höchstens die Bundes- SPD könnte Voscherau beknien. Denn ein rot-schwarzes Bündnis so kurz vor den Bundestagswahlen wäre das falsche Signal für einen Machtwechsel in Bonn.

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