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Erbakan muß private Religionsschulen schließen

■ Türkei: Militär setzt sich gegen Ministerpräsidenten durch. Minister zurückgetreten

Istanbul (taz) – In der Auseinandersetzung um die Islamisierung von Politik und Gesellschaft hat der türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan eine weitere Niederlage erlitten. Der von den Militärs dominierte Nationale Sicherheitsrat verpflichtet die Regierung nach einer achtstündigen Sitzung am Samstag abend auf ein 18-Punkte-Programm gegen antirepublikanische, theokratische Strömungen. Dieses war bereits vor zwei Monaten beschlossen worden, Erbakan hatte die Umsetzung jedoch verzögert. Das Programm sieht unter anderem die Schließung der Imam-Hatip-Schulen vor. Aus diesen privaten Religionsschulen rekrutiert die Wohlfahrtspartei Erbakans ihre Anhängerschaft. Die Schließung hatte auch Erbakans Koalitionspartner gefordert, die Partei des rechten Weges (DYP) von Außenministerin Tansu Çiller. Indem Erbakan dem Druck des Militärs nachgab, rettete er vorerst auch seine Koalition. Die Schließung der weiterführenden Religionsschulen ist Kernstück einer Bildungsreform, die Çillers Partei ausgearbeitet hat. Das Programm sieht auch die Erhöhung der Grundschulpflicht von fünf auf acht Jahre vor, was zur Schließung zahlreicher religiöser Mittelschulen führen wird.

Schon vor dem Beschluß des Sicherheitsrats waren am Samstag Industrieminister Yalim Erez und Gesundheitsminister Yildirim Aktuna, beide Mitglieder in Çillers Partei, zurückgetreten. Sie richteten schwere Vorwürfe an den islamistischen Koalitionspartner. Das politische System der Türkei sei durch die Regierung, die die Islamisierung des politischen Lebens betreibe und zur innenpolitischen Polarisierung beitrage, gefährdet. Tansu Çiller setzt dagegen trotz zunehmenden Unmuts in der Fraktion auf die Fortführung der Koalition. öe

Tagesthema Seite 3

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