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Wahlsieg für Präsidentenpartei

■ Im Jemen sichert sich der Volkskongreß die Mehrheit. Verluste für die Islamisten. Regierungskoalition erwartet

Sanaa (taz) – Die erste jemenitische Parlamentswahl nach dem blutigen Bürgerkrieg vor drei Jahren endete mit einem erwartungsgemäß hohen Sieg des Volkskongresses. Die Partei des Präsidenten Ali Abdallah Saleh konnte nach Auszählung von mehr als zwei Drittel der Wahlkreise mit 175 Sitzen bereits die Mehrheit im 301köpfigen Parlament für sich gewinnen. Die islamistische Reformpartei kam bislang auf 45 Sitze. Vor vier Jahren hatten die Islamisten noch 66 Abgeordnete gestellt. Die einst drittgrößte Partei des Landes, die Sozialisten, boykottierten diesmal die Wahlen. Doch unter den 38 unabhängigen Kandidaten, die bisher gewählt wurden, sind auch Mitglieder der Sozialistischen Partei.

Trotz der Befürchtung, daß rund um die Wahlen alte Rechnungen und Stammeszwiste beglichen werden könnten, blieb es relativ ruhig. Die elf Menschen, die am Wahltag durch Waffengewalt ums Leben kamen, wurden zwar auch von den internationalen Wahlbeobachtern bedauert, aber als eine jemenitische Normalität abgetan.

Insgesamt, so bestätigte die Sprecherin der europäischen Wahlbeobachtungskommission, sei die Wahl trotz mehrerer Unregelmäßigkeiten „einigermaßen frei und fair verlaufen“. Auch die US-Wahlbeobachter des „National Democratic Institute“ (NDI), gaben der Wahl insgesamt eine positive Note und sprachen von „einem weiteren Schritt in der Entwicklung eines demokratischen Jemen“. Ein vorläufiger Bericht des NDI hob auch hervor, daß bei dieser Wahl die Beteiligung von Frauen wesentlich höher lag als beim letzten Mal. Immerhin ein Drittel aller Frauen hatten sich in die Wahllisten eintragen lassen. Seltsamerweise waren die internationalen Beobachter allerdings schon abgereist, bevor die Stimmen endgültig ausgezählt wurden.

Noch bevor die Stimmen endgültig ausgezählt waren, liefen die Spekulationen über die Zusammensetzung der neuen jemenitischen Regierung auf Hochtouren. Bereits vor den Wahlen hatte Präsident Ali Abdallah Saleh angekündigt, daß zwischen den alten Koalitionspartnern, seinem Volkskongreß und der islamistischen Reformpartei Islah ein „neuer Mechanismus“ gefunden werden müsse. Nachdem die Beziehungen zwischen beiden Parteien in den letzten Monaten großen Spannungen ausgesetzt waren, erklärte Saleh, daß das Spiel der Islah, „mit einem Bein in der Regierung und mit dem anderen in der Opposition stehen zu wollen, nicht mehr so weitergehen kann“.

Kaum jemand im Land bezweifelt, daß die Islamisten nahezu allen Bedingungen des Volkskongresses zustimmen werden, um mit an der Macht zu bleiben. Dabei würden sie zwar mehr und mehr an Glaubwürdigkeit verlieren, einige Islah-Mitglieder seien aber zu ehrgeizig, um nicht erneut Ministerämter anzustreben, erklärt der Politologe der Universität Sanaa, Muhammad Abdel Malik Al-Mutawakil. Er erwartet in den nächsten Wochen eine interne Auseinandersetzung innerhalb der Islah, einer Partei, die im wesentlichen aus zwei Flügeln besteht: dem mehr „ideologischen“ Teil, repräsentiert durch die Muslimbrüder, und die „Politpragmatiker“, wie die in der Partei einflußreichen Stammesscheichs genannt werden. Aber, glaubt Al-Mutawakil, der Streit wird zugunsten der Pragmatiker ausgehen.

Die neue Regierung, so erwarten die meisten Beobachter, wird trotz des eindeutigen Sieges des Volkskongresses ein Flickwerk aus allen wichtigen politischen Kräften des Landes. „Jeder wird versuchen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, da die Opposition durch die Wahlen erneut geschwächt wurde“, sagt der politische Kommentator Hamud As-Sulaihi voraus. Eine Tatsache ganz nach dem Geschmack des Regierungschefs und maßgeschneidert für seinen Regierungsstil. Jeder wird eine Einladung Ali Abdallah Salehs erhalten, an der Regierung mitzuwirken, zu seinen Bedingungen natürlich. Karim El-Gawhary

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