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Luises Kontinenthüpfen

■ Ein Buch für heranwachsende Weltenbummler

Luise ist elf Jahre alt, lebt in Berlin und will nach Afrika. Nicht einfach so, sondern weil sie den schwarzen Jungen aus ihrem Traum sucht. Und schwarze Jungen, das weiß sie, leben nun mal in Afrika. Dort muß sie unbedingt hin. Wie, dafür hat sie keinen Plan. Sie weiß nur, daß Flugzeuge sehr schnell weite Strecken zurücklegen. Also geht sie zum Flughafen. Und erst einmal dort, kommt sie irgendwie immer weiter. Zunächst unter dem Mantel des fetten Sumo-Kämpfers Fat Richie. Der will zwar nach Japan und nicht nach Afrika, aber wie man weiß, ist ja der Weg das Ziel. Und dieses erreicht Luise über Umwege. Dabei begegnen ihr die skurrilsten Typen: Miguel und der Pinguin, Sonja, die schöne, aber unglückliche Stewardess, der kindische große Meister mit dem virtuellen Auge, die exzentrische Bellinda, das sprechende Pferd Crooky oder der Aboriginal Goana. Sie erfährt viel über andere Kulturen, noch mehr über gescheiterte Beziehungen und die bedrohte Umwelt. Den schwarzen Jungen findet sie auch. Allerdings nicht in Afrika. Denn Afrika ist längst näher gerückt.

Das Kinderbuch „Luise, indieWelt“ präsentiert eine zeitgemäße Pippi Langstrumpf. Wie diese besteht Luise die unmöglichsten Abenteuer, und wie diese hat sie Mut, Selbstvertrauen und ein Ziel. Allerdings ist sie kein freilaufendes Landkind, sondern eine typische Berliner Großstadtgöre. Sie lebt bei ihrem Vater, die Mutter kommt nur ab und zu auf Besuch, sie jettet nach Tokio, findet sich auf dem Luxusdampfer eines computerbesessenen Weltverbesserers wieder und kommt so nach Australien. Dort trifft sie keine Känguruhs oder wildgewordene Kamele, dafür sympathische Mistkerle. Schließlich landet sie im High- Tech-U-Boot an der Küste Afrikas, wo ein verkniffener deutscher Botschaftsrat seine Pflicht tut und Luise einsammelt und nach Deutschland zurückverfrachtet. Luise besteht ihre Abenteuer mit modernster Infrastruktur und in absoluter Rekordzeit: Acht Tage braucht sie für ihren Trip in die Welt. Insofern ist Luise eine ganz moderne Touristin mit dem Unterschied, daß sie sich einläßt auf das, was ihr begegnet. Und was ihr begegnet, sind keine Paradiesgärtchen, sondern reale Verhältnisse. Und wo immer sie sich auch herumtreibt, das mediale Auge, die moderne Kommunikation, bleibt ihr auf der Spur und verleiht ihren inneren Bindungen den direkten Kontakt. Diese globale Vernetzung macht sie zum Medienstar: Die daheim vor dem Fernseher gebliebenen Altersgenossen verfolgen sehnsüchtig die Abenteuer der unbekümmerten Luise. Weltweit.

„Luise, indieWelt“ ist von der ersten bis zur letzten Seite ein spannendes Kinderbuch. Es ist phantasievoll in seinen unkonventionellen Ideen. Und es besticht durch den spielerischen Umgang mit moderner Kommunikation, vernetzter Gegenwart und den darin immer noch lauernden Abenteuern der ganz menschlichen Art. ed

Eckhard Mieder: „Luise, indieWelt“, Elefanten Press, Berlin 1997, 314 Seiten, 36 DM

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