: Frauenrevolution in der Baubehörde
Unter Eugen Wagner verändern Fachfrauen Gesetze, Garagen und Männerpraxis ■ Von Florian Marten
Fraueninitiativen beäugten sie nur mißtrauisch. Das Senatsamt für die Gleichstellung der Frau nahm sie nicht für voll. Und die von Männern und Ingenieuren geprägte Baubehörde lächelte anfangs nur milde, als im Mai 1994 sieben Frauen auf Anordnung von Bausenator Eugen Wagner die Arbeitsgruppe „Fachfrauen für Bauwesen und Verkehrsplanung“gründeten. Heute lacht niemand mehr.
Unter Führung der resoluten und durchsetzungsfähigen Regierungsdirektorin Maria Maderyc hat sich in einer der konservativsten Hamburger Behörden eine der wirkungsvollsten Frauengruppen Hamburgs etabliert. Maderycs Kolleginnen Ute Bigale (Hochbau), Ingrid Herr (Wohnungswesen), Christine Hoffmann (Verkehrsplanung), Dagmar Meyer (Fahrradbeauftragte), Anja Segelcken (Baurecht) und Sabine Simon (Tiefbau) haben den Männerapparat Wagners mächtig durcheinandergewirbelt und mittlerweile eine kaum noch überschaubare Zahl von Gesetzen, Richtlinien und Maßnahmen für Frauen auf den Weg gebracht.
Eine der wirkungsvollsten Frauengruppen Hamburgs
Ohne daß es die Öffentlichkeit registrierte, wurde etwa ein Paragraph 7a in die Hamburger Garagenordnung aufgenommen, der Sicherheitsbedürfnissen von Frauen zum ersten Mal annähernd Rechnung trägt: In Großgaragen sind jetzt Alarmanlagen vorgeschrieben; künftige Großgaragen müssen überschaubar und ohne tote Winkel sein. Auf Druck der sieben Frauen haben inzwischen mehrere Großgaragen gesonderte Frauenparkplätze eingerichtet.
Egal, ob die „Fachliche Weisung“über „Vordringlich Wohnungssuchende“im Sinne von Frauen geändert wurde, ob Wohnprojekte gefördert werden, an denen Frauen mitplanen, überall haben die sieben Frauen ihren Einfluß geltend machen können. Programme zum Wohnungsneubau werden seither mit Blick auf Fraueninteressen überarbeitet, Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr werden danach ausgelegt, ob sie die Sicherheit und Mobilität von Frauen berücksichtigen.
Selbst Planerinnen der Stadtentwicklungsbehörde (Steb), die von ihrer Gründerin, der ehemaligen Frauensenatorin Traute Müller, frauenpowermäßig gut ausgestattet wurden, räumen heute ein: „Der Einfluß der Fachfrauengruppe in der Baubehörde ist mindestens so groß wie unser Frauenbeirat.“Vor gut drei Jahren hatte es danach nicht ausgesehen. Senator Eugen Wagner, der Anfang 1994 mit Forderungen der damaligen Frauensenatorin Traute Müller und dem Druck der Fraueninitiative „Arbeitskreis Frauenverkehrsbeirat“konfrontiert wurde, wollte lediglich verhindern, daß ihm eine von außen gesteuerte Frauen-Gang in sein streng hierarchisches Reich hineingemogelt wird.
Mit Maria Maderyc, der ersten weiblichen Amtsleiterin in der Geschichte der Baubehörde, als Leiterin eines innerbehördlichen „Damenkränzchens“, wie Maderycs Kollegen zunächst lästerten, schien das Problem unter Kontrolle.
Ohne Wagners Okay läuft auch bei den Fachfrauen nichts
Zwar „läuft ohne Wagners Okay gar nichts“, wie ein Baubehördeninsider erläutert. Doch: „An den Frauen kommt heute niemand mehr vorbei.“Erfolgsgeheimnis der sieben Fachfrauen ist eine geschickte Mischung aus Insiderkenntnissen, Hartnäckigkeit und neu gewonnenem Know-how. Wenn Arbeitsgruppenchefin Maderyc, die als Leiterin der Zentralverwaltung den Behördenetat und das Personal steuert, mit einem Vorschlag im Tiefbauamt, im Baurechtsamt oder dem Amt für Verkehr auftaucht, dann kann man(n) sie nicht einfach auflaufen oder abblitzen lassen, wie es Frauenbeauftragte anderswo oft erleben.
Von Arbeitskolleginnen wird Maria Maderyc in der Regel als „eher konservativ und konventionell“charakterisiert, vor allem aber sei sie „überhaupt nicht feministisch angehaucht“. Vielleicht kann sich die Regierungsdirektorin gerade deshalb so gut durchboxen.
„Inzwischen müssen wir weniger kämpfen, manche Männer kommen schon von selbst zu uns, wir haben bereits eine gewisse Einstellungsänderung erreicht“freut sich eine Mitstreiterin von Maderyc. Lob kommt auch von der Planerin Barbara Brakenhoff, Mitglied des Frauenbeirats der Steb und langjährige Deputierte in der Baubehörde: „Die Fachgruppe in der Baubehörde leistet ausgezeichnete Arbeit. Aber sie haben keinen leichten Stand. Senator Wagner gibt denen wenig Raum.“
Feministisch ist Maria Maderyc „überhaupt nicht angehaucht“
Tatsächlich klafft ein gewisser Widerspruch zwischen dem behördeninternen Standing der Powerfrauen aus der Baubehörde und ihren tatsächlichen Erfolgen. Sie dürfen sich zwar einmischen, aber nicht darüber reden. Der Pressestelle der Baubehörde war eine vierzigseitige Broschüre über die bisherigen Erfolge der Fachfrauen gerade mal eine dürre Zwei-Zeilen-Meldung wert. Barbara Brakenhoff ahnt warum: „Ich habe es selbst oft genug erlebt, wie Eugen Wagner kokett auf seinen eigenen weiblichen Sachverstand verweist.“
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