: Gift aus rottenden Masten
Ein Viertel des Cadmiums im Boden stammt aus Stahlmasten. Die Belastung ist unnötig, doch nur die Schweiz kennt schützende Grenzwerte ■ Von Pieter Poldervaart
Fahrleitungsmasten der Eisenbahn, Metallabschrankungen, Skiliftmasten, aber auch Kleinmaterial wie Draht und Nägel: Eisen, das der Witterung ausgesetzt ist, rostet schnell. Um dies zu vermeiden, wird das Material oft verzinkt. Doch gegen die aggressive Luft hilft auch der Zinkschutz auf Dauer nicht. Der 20 bis 50 tausendstel Millimeter dünne Puffer korrodiert nach 10 bis 40 Jahren – in sauberer Landluft etwas langsamer, in saurer Industrieatmosphäre etwas schneller. Jeder Gewitterregen wäscht etwas Zink aus. Mehrere tausend Tonnen dürften sich so allein in der Schweiz in unmittelbarer Umgebung von Masten oder Brückenkonstruktionen im Boden sammeln, berichtet die eben publizierte Studie „Cadmium in Zink: Resultate einer schweizerischen Marktüberwachung“. Mit dem Zink wird nämlich auch das giftige Schwermetall Cadmium ausgewaschen, das in kleinsten Mengen in der Zinklegierug enthalten ist: Gut eine Tonne des hochgiftigen Schwermetalls komme so zusammen, schätzt die Schweizer Umweltbehörde Buwal. Auf Deutschland hochgerechnet, dürften hier rund zehn Tonnen Cadmium im Boden verteilt sein. „Im Vergleich zu den übrigen Quellen ist Cadmium aus Zink sehr bedeutend“, betont Jakob Marti, Leiter des kantonalen Umweltschutzamtes Glarus und verantwortlich für die Marktuntersuchung. Cadmium gelangt auch aus Verbrennungsprozessen in Industrie, Gewerbe, Haushalt und Verkehr in Luft und Boden. Die Landwirtschaft trägt mit Phosphatdünger zur Cadmiumbelastung bei. Doch insgesamt stammt rund ein Viertel des Schwermetalls aus der Korrosion verzinkter Metallteile – obwohl dies nicht sein müßte.
Denn immer mehr Zinkhütten bieten Zink an, das so sorgfältig gewonnen wurde, daß es mit weniger als 250 ppm (Teile pro Million) Cadmium verunreinigt ist. Die Schweizer Regierung hat bereits 1987 den Grenzwert für das Schwermetall im Zink schrittweise auf diesen Wert gesenkt. Mit Erfolg: „Alle 15 untersuchten Schweizer Betriebe und 69 in der Schweiz verzinkte Proben unterschritten die Höchstmarke“, stellt Marti befriedigt fest. Weniger gut abgeschnitten haben 153 Importe, von denen die Umweltbehörde sieben Prozent beanstandete: Fünf Produkte aus Deutschland, drei aus Ungarn und zwei aus Belgien überschritten den Grenzwert zum Teil dramatisch. Eine Pfostenstütze deutscher Provenienz überbordete gar um das Zwanzigfache (über 5.000 ppm).
Daß durchweg die Importe schlechte Noten einfingen, führt Marti auf den Umstand zurück, daß nur die Schweiz einen Grenzwert für den Cadmiumgehalt in Zink kennt. Die EU hingegen beschränkt sich auf Limits für Trinkwasserrohre, „und für neue Vorschriften ist die Zeit wohl nicht günstig“, meint Marti. Anders als in der Schweiz existiere in Deutschland eine starke Lobby der Metallindustrie, die sich gegen Grenzwerte wehre.
Immerhin habe man feststellen können, daß die Schweizer Bemühungen auch in der EU und in Osteuropa Wirkung zeigten. Der Druck zu reinerem Zink habe zur Verbesserung der Elektrolyseprozesse geführt. Einzelne Schweizer Firmen hätten sich auch entschieden, wieder im eigenen Land verzinken zu lassen.
Mittelfristig, so hofft Marti, könnte die Menge korrodierten Cadmiums auf ein Zehntel der heutigen Fracht zurückgehen. Weil aber Eisenbleche und -pfosten zum Teil Jahrzehnte in Gebrauch sind, wird die schleichende Cadmiumvergiftung noch lange anhalten. Cadmium reichert sich in Leber und Nieren an und kann dort zu schweren Schäden führen. Als atembarer Staub kann es Krebs auslösen. In Verruf kam Cadmium, als 1955 japanische Frauen massenhaft an weichen und verformten Knochen erkrankten durch jahrelangen Konsum belasteten Reises.
Wermutstropfen für die so properen SchweizerInnen sind übrigens zwei hochbelastete Proben (1.700 und 5.000 ppm Cadmium). Weil das Material aus rezyklierten Sonderabfällen aber für den Export nach Deutschland bestimmt war, fiel es nicht unter das Gesetz und wurde nicht beanstandet. Marti bleibt skeptisch: „Auch wenn die Verantwortlichen betonen, das Zink werde für andere Zwecke als für die Verzinkung verwendet – nach Export läßt sich dies kaum noch kontrollieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen