piwik no script img

Prozeßstau beim Arbeitsgericht

■ 9.000 Ostler klagen auf Westzulage, 1.300 gegen ihren Verlust

Der Feuerwehrmann war eifersüchtig. Warum sollte er weniger Gehalt bekommen als sein Kollege aus dem gleichen Löschzug? Bloß weil der einige Monate im Westen Brände bekämpft und sich dabei eine Westzulage erkämpft hatte? Die Klage des Spritzenmannes wirkte, weil erfolgreich, wie ein Brandbeschleuniger.

9.000 öffentlich Beschäftigte aus dem Osteil der Stadt drängten auf Gleichbehandlung: „Hey Boß Schönbohm, wir wollen gleiches Geld.“ Jetzt brennt es bei den Gerichten.

„Es wird lange Terminstände geben“, befürchtet der Präsident des Arbeitsgerichts, Achim Riedel. Im Klartext heißt das Blockade, Totalsperrung auf dem Rechtsweg. Normalerweise einigen sich die Prozeßparteien auf sogenannte Musterklagen, um nicht jeden Einzelfall durchfechten zu müssen. Nicht so Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Er fürchtet die gütliche Einigung wie das Feuer den Wasserstrahl. Denn das würde das Land zwischen 200 und 800 Millionen Mark kosten. Soviel wäre zu zahlen, wollte man allen Klagenden nachträglich die Westzulage genehmigen.

Nein, Schönbohm will den Anlaß für die 9.000 Klagen auf anderem Wege beseitigen. Er knöpft 1.300 bevorzugten Ostkollegen einfach die Westzulage wieder ab. Auch so ließe sich Gleichheit herstellen: Nicht 9.000 Leuten das Westgeld geben, sondern es den 1.300 nachträglich streichen. Aber da spielen die Betroffenen natürlich nicht mit. Sie klagen gegen den Abzug der Westzulage.

Die Leidtragenden sind die Arbeitsrichter. Sie betreiben in Tausenden Verfahren Vergangenheitsbewältigung. Schließlich bezahlt Berlin, als einziges Bundesland, den Ostkollegen inzwischen gleiches Geld. Die Tarifgemeinschaft der Länder schmiß Berlin wegen dieser frühen Tarifangleichung raus. Dann prozessierten die benachteiligten Ostkollegen. Nun die bevorzugten? Ach, armes Berlin! Christian Füller

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen