: Ausbildung zum „Fachidioten“
Studentischer Protest gegen Kürzungspläne beim Architekturstudium ■ Von Achim Fischer
Ungewöhnlicher Andrang in der Galerie der Gegenwart. Gut 200 Architektur-StudentInnen protestierten gestern zusammen mit mehreren Professoren gegen ein Senatsgutachten, das eine radikale Änderung der Architektenausbildung in Hamburg vorschlägt. Eine Expertenkommission empfiehlt darin unter anderem, das Lehr- und Studienplatzangebot der Architektur an der Fachhochschule (FH) zu halbieren und die Ausbildung auf technische Fragen zu konzentrieren. Im Gegenzug soll das Architekturangebot der Hochschule für bildende Kunst (HfbK) zu einem Studiengang vom Feinsten ausgebaut werden (s. a. Kasten).
Die FH solle sich auf die traditionellen Schwerpunkte Baumangement und Bauausführung beschränken, hatte Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak die Studie vorgestellt „und sich der Versuchung versagen, Entwerfer für Opernhäuser und Museen auszubilden.“Das empörte gestern selbst die Professorenschaft. Das Papier sei „ein Pamphlet“gegen die Fachhochschule, schimpfte Architektur-Fachbereichssprecher Bernd Kritzmann. Die FH habe das Ziel, eine breitgefächerte Ausbildung anzubieten. „Man muß einfach auch ein Gefühl für die Entwürfe haben, auch wenn nicht jeder jeden Tag ein Opernhaus entwirft.“Ohne Ausbildung im gestalterischen Bereich würde das Studium von der Architektenkammer nicht mehr als vollwertige Ausbildung anerkannt. StudentInnen hätten somit auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance.
Bei der vorgeschlagenen Aufteilung – Technikspezialisten an der FH, Entwurfsspezialisten an der HfbK – „fehlt einer Gruppe das Wissen der anderen Gruppe“, meint auch FH-Studentin Angelika Hahn. Und erzählt vom Hallen-Entwurf eines international renomierten Architekten für die Leipziger Messe: Der Bau war zwar imposant – aber im Sommer hätte er sich gnadenlos überhitzt. Der Planer hatte einfache raumklimatische Berechungen nicht beachtet.
„Elitäre Fachidioten“würden künftig an der HfbK ausgebildet, fürchtet auch FH-Student Lothar Zank. „Technische Fachidioten“müßte die FH produzieren, meint sein Studienkollege Kolja Harms. Angelika Hahn hatte die Zulassung für beide Hochschulen in der Tasche und entschied sich für die FH, um auch die technische Seite abzudecken. „Ich würde mich um meine Ausbildung betrogen fühlen“, sagt sie zu den Änderungsplänen.
An der Hochschule für bildende Künste soll die Zahl der Studienplätze ebenfalls halbiert werden. Dafür soll allerdings ein Elite-Studiengang Architektur mit handverlesenen Studenten und feinstem Professoren-Studierenden-Verhältnis entstehen. Denn an den Stellen der Professorenschaft soll nicht gerührt werden.
Angestrebt werde ein Zahlenverhältnis zwischen Professoren und Studierenden von 1:10 heißt es in dem Gutachten. „Davon kann natürlich jede Hochschule nur träumen“, sagte gestern Jürgen Hanert, Referent der Hochschulpräsidentin. Auch wenn dieses Verhältnis aus Kostengründen wahrscheinlich nicht zu realisieren sei. Kunsthochschul-Präsidentin Adrienne Goehler war vom Ergebnis der Senatsstudie ebenfalls angetan. Ihr gefiel insbesondere „die deutliche Veränderung des gestalterisch-konzeptionellen und künstlerischen Studienprofils an der HfbK.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen