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Keine neuen Tresen im „Viertel“

■ Leerstehende Läden im Viertel / Große Einigkeit zwischen Kammer und Politik: Konzessionsstopp für Kneipen soll bleiben

Im Ostertor und Steintor stehen reichlich Läden leer, immer wieder haben Vermieter Schwierigkeiten, ihre Ladenlokale loszuschlagen. Deshalb wächst der Druck, eine alte Bestimmung aufzuheben und mehr Kneipenkonzessionen fürs Viertel zu vergeben, wäre da nicht eine Phalanx aus Ortsamt, Handelskammer und Bausenator. Von dort kommt unisono: Der Konzessionsstopp für Gastwirtschaften bleibt, die Vermieter müssen mit den Mieten runter.

Anfang der 80er Jahre hatte es die große Sorge gegeben, das Viertel könnte vom Schmuddel- und Rotlichtmilieu übernommen werden. Ergebnis der damaligen Debatten: Alle Konzessionen sollten bestehen bleiben, aber es sollten keine weiteren dazukommen. Der spezifische Viertel-Mix aus Kleinhandel und Gastronomie sollte so gerettet werden. Und das klappte auch. Die Rotlicht-Gefahr ist längst gebannt, nur der Konzessionsstopp besteht fort und fort. Trotz leerstehender Ladenlokale.

„Das muß auch so sein“, sagt Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking, trotz der „beunruhigend vielen“Leerstände. Wenn jetzt nur eine Kneipe mehr zugelassen würde, dann würden sämtliche Dämme brechen. „Es ist eben wegen der Brauereikredite billiger, eine Kneipe aufzumachen als ein Einzelhandelsgeschäft.“Und damit könnten auch höhere Mieten erzielt werden. Die Folge, so Bücking: Die Einzelhandelsstruktur im Viertel gehe über kurz oder lang kaputt, das Viertel würde tagsüber veröden, dafür nachts umso mehr BesucherInnen anziehen, all das auf Kosten der Lebensqualität der Oster- und Steintorschen. Daß so viele Lokale leerstehen habe viel mit den völlig überzogenen Mietvorstellungen der Hausbesitzer auf der Meile zu tun. Bücking: „Wenn der Laden lange leer ist, dann müssen die eben mit der Miete runter. Deshalb müssen wir den Konzessionsstopp durchhalten.“

Ganz die Meinung von Handelskammer und Bausenator. „Den Leerständen muß man marktwirtschaftlich entgegentreten“, sagt Hartmut Spiesecke, Sprecher von Bausenator Bernt Schulte (CDU). „Die Ladenmieten sind überall rückläufig“, bestätigt auch Hermann Krauss, Einzelhandelsexperte der Bremer Handelskammer. „Da müssen sich auch die Vermieter im Viertel anpassen.“Gerade da, so Krauss, bewegten sich viele der EinzelhändlerInnen am Rand des Existenzminimums. „Wir haben hier einen beträchtlichen Anteil von sogenannten Grenzbetrieben“, in denen kaum ein VerkäuferInnen-Gehalt erwirtschaftet werde. Entweder Läden, die innovativ seien und deren Besitzerinnen Risiken eingingen. Oder traditionelle, „deren Lebenszyklus überschritten ist. Wenn da ein bißchen Unglück dazukommt, sind die weg vom Fenster.“Das bißchen Unglück könnte da schon der Druck von der Kneipenfront sein. Krauss: „Damit ginge die Einmaligkeit des Viertels verloren. Die Sauerteigfunktion für die Stadt wäre weg.“Und damit ein Bremer Kleinod. „Oldenburg hat kein Viertel – nur um mal von einem Angstgegner zu reden.“

Nicht einmal das Wirtschaftsressort will den Konzessionsstopp aufheben. „Obwohl wir bei allen Bebauungsplänen nachgucken, solche Restriktionen aufzubrechen“, sagt Marianne Grewe-Wacker, beim Wirtschaftssenator zuständig für die Innenstadtentwicklung. Aber im Falle des Viertels „sind wir auch dagegen, das Ventil aufzumachen.“Das nehme nur den Druck von der Innenstadt, denn da will das Haus Perschau eher mehr Gastronomie zur Belebung der City ansiedeln. Grewe-Wacker: „Leute aus anderen Städten sagen schon, die Bremer Innenstadt wäre ausgehungert.“ J.G.

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