Kommentar: Der Voschkönig
■ Kein koalitionärer Kuß macht aus dem Bürgermeister einen Märchenprinzen
Ein Kuß muß nicht erotisch motiviert sein. Beim Froschkönig war auch Ekel im Spiel. Anders beim Voschkönig. Abneigung hin oder her, alle wollen den Bürgermeister küssen, auf daß er ein Märchenprinz und Koalitionspartner werde. Voscherau hört sich gelassen das Gequake an. Denn mit seinem Vorschlag, die Hafenpolitik zu reformieren, flirtet er simultan in zwei Richtungen.
Natürlich ist es kein Zufall, daß die Vision ihn gerade vor der Wahl überkam. Die Hafen-City läßt Verhandlungsspielraum für alle Farbenspiele offen, ohne die Verpflichtung, sie jemals zu realisieren. Einzig die Finanzierung Altenwerders muß aus Senatssicht klappen. Diese Kröte wird für die GAL sicher schwerer zu schlucken sein als für die CDU. Die Gestaltung der neuen Hafen-City hingegen ist dem Bürgermsiter im Grunde egal, weil es primär um die Finanzierung der Hafenerweiterung geht.
Der eigentlich Ekelige aber ist der monarchistische Stil. Mit der Rechtfertigung, keine Spekulationen auslösen zu wollen, brachten Voscherau und sein Hofstaat ein Riesen-Projekt auf den Weg, das nicht einmal mit der zum Abnicken neigenden SPD-Fraktion besprochen worden war.
Dieses Obrigkeitsgebaren mag in die Zeit eines Bürgermeister Mönckeberg gepaßt haben, in eine moderne Demokratie paßt es nicht. Ob man die Hafen-City nun noch lange diskutiert oder nicht, die Entscheidung hat Voscherau schon getroffen.
Deshalb wird der Voschkönig auch bei noch so viel Liebkosung kein Märchenprinz. Die Kugel ist bereits in den Brunnen gefallen. Silke Mertins
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