Eine historische Forderung

Die Basken wollen Picassos „Guernica“ zur Eröffnung des Guggenheim Museums in Bilbao, Madrid lehnt aus konservatorischen Gründen ab  ■ Von Reiner Wandler

„Die Bomben waren schon immer für das Baskenland und die Kunst für Madrid.“ Sehr verärgert reagierte der Vorsitzende der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) Xavier Arzalluz auf die Absage aus dem hauptstädtischen Museum Reina Sofia. Das Zentrum für Moderne Kunst weigert sich, Pablo Picassos „Guernica“ nach Bilbao zu verleihen. Technische Gründe verböten den Transport des 3,51 mal 7,82 Meter großen Gemäldes in die baskische Industriemetropole, um dort am 3. Oktober die Einweihung des Guggenheim Museums zu krönen. „Wenn wir das Gemälde bewahren wollen, darf es auf keinen Fall noch einmal bewegt werden“, gab das 18köpfige Expertenteam vor einer Woche seinen Beschluß bekannt. Das in Grautönen gehaltene Bild, das Picasso als Reaktion auf den Spanischen Bürgerkrieg und die Bombardierung des baskischen Städtchens Guernica durch die deutsche Fliegerstaffel Legion Condor malte, soll zahlreiche Narben in den verschiedenen Farbschichten aufweisen. „Ein rein wissenschaftlicher Bescheid, ohne politischen Druck“, bestätigt der Vorsitzende der Expertenkommission, Valeriona Bozal.

Im Baskenland will das niemand so recht glauben. Dort wird die Absage auf den einstimmig im baskischen Regionalparlament verabschiedeten Leihantrag als ein neuer Beweis für die zentralistische Arroganz der Madrider Regierung gewertet. „Was haben die in Madrid mit dem Bild angestellt, daß es in so schlechtem Zustand ist?“ fragt der baskische Regierungschef José Antonio Ardanza empört und weist darauf hin, daß dem Gemälde 1981, als man es von New Yorker Museum of Modern Art nach Spanien überführte, „ein sehr guter Allgemeinzustand“ bescheinigt wurde. Das Bild, das 1937 den Pavillon der vom Bürgerkrieg bedrängten Spanischen Republik bei der Weltausstellung in Paris schmückte, hatte auf Wunsch des Künstlers über 40 Jahre in den USA darauf gewartet, daß Spanien zur Demokratie zurückfindet. Als das Gemälde schließlich in die Heimat Picassos zurückkam, löste es eine heftige Debatte aus. Während die Anhänger des sechs Jahre zuvor verstorbenen Diktators Franco mit seiner Zerstörung drohten, forderte ein Großteil der baskischen Nationalisten, daß das Gemälde in der Stadt, die ihm den Namen gab, seinen endgültigen Ausstellungsort fände. Es half nichts, den Zuschlag bekam Madrid. „Die Regierung Aznar läßt sich jetzt eine hervorragende Gelegenheit entgehen, einer historischen Forderung der großen Mehrheit der baskischen Bevölkerung nachzukommen“, empört sich Guernicas Bürgermeister Eduardo Vallejo.

Der baskische Ministerpräsident Ardanza hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Ob das Bild im Oktober in Bilbao hängt oder nicht, sei „letztendlich eine politische Entscheidung der Regierung in Madrid“. Und dort haben die baskischen Nationalisten ein Wörtchen mitzureden, denn die Minderheitsregierung des konservativen Aznar ist auf die Stimmen der PNV angewiesen.

Auch der Direktor des Guggenheim Museums in Bilbao, Josu Begara, hat für das Dilemma, daß das Bild bei seiner Eröffnungsausstellung fehlen soll, kein Verständnis. Und er stellt eine ganz pragmatische Frage: „Die Menschheit ist in der Lage, das Hubble im Weltraum zu reparieren, und da soll es nicht möglich sein, ein Bild 500 Kilometer weit in einer vollklimatisierten Urne zu transportieren?“