piwik no script img

Das Modell stimmt

■ Drei Jahre kostendeckende Vergütung: Die Aachener Solaraktivisten haben Bewegung in die Szene gebracht

Den Sekt haben die Mitarbeiter des Aachener Solarenergie-Fördervereins (SFV) noch nicht kaltgestellt. Grund zum Feiern hat die Crew allemal: Am 1. Juni jährt sich der Tag zum dritten Mal, an dem in Nordrhein-Westfalen bundesweit erstmals die kostendeckende Vergütung (KV) per Ministererlaß eingeführt wurde.

Dieses Konzept, seitdem als „Aachener Modell“ bekannt, hatten die Solaraktivisten Anfang der 90er Jahre zur Förderung regenerativer Energien entwickelt: Private Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen sollten den Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeisen, vergütet bekommen, um ihre hohen Investitionen aufzufangen – zwei Mark für jede eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom, maximal 35 Pfennig für Windstrom. Als Ausgleich für die höheren Ökostrom-Tarife gestattete das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium den Stromversorgern im Lande, ihre Tarife bis zu einem Prozent anzuheben.

Von dem Angebot haben nach drei Jahren nur die wenigsten Stadtwerke zwischen Rhein und Weser Gebrauch gemacht. Ein Dutzend Städte zahlt den „Sonnen-Tarif“, in acht weiteren Kommunen liegen zustimmende Stadtratsbeschlüsse vor. Rechnet man die Städte hinzu, die sich für einen Fördermix aus Investitionszuschuß und erhöhter Einspeisevergütung entschieden haben, erhöht sich die Gesamtzahl auf etwa 25 in NRW und bundesweit auf 45. Damit ist SFV-Geschäftsführer Wolf von Fabeck durchaus zufrieden: „Mit der kostendeckenden Vergütung läßt sich viel bewegen.“

So kletterte in Remscheid, das noch vor Aachen als erste NRW- Stadt im Mai 1995 den KV-Tarif anbot, die Zahl der Solaranlagen bis Silvester 1996 auf neun, gleichzeitig lagen Förderanträge für zehn weitere mit einer Gesamtkapazität von 202 Kilowatt Peak (kWp) vor. Die Stadtwerke Bonn, die allerdings nur das halbe Stadtgebiet versorgen, haben mittlerweile 25 Anlagen mit einer Kapazität von 661 kWp am Netz, mit den noch laufenden Anträgen erhöht sich die Gesamtleistung um weitere 85 kWp. In Aachen waren Ende März 55 private Anlagen mit 220 kWp in Betrieb. Für weitere 730 kWp liegen nach Auskunft der Stadtwerke derzeit Anfragen vor. „Aachen ist insofern ein glückliches Beispiel“, sagt der SFV-Geschäftsführer, „da sich hier auch fünf neue Solar-Installationsbetriebe gegründet haben und somit Arbeitsplätze entstanden sind.“

Auch außerhalb Nordrhein- Westfalens funktioniert die kostendeckende Vergütung. In Baden-Württemberg, das neben Bayern den NRW-Erlaß größtenteils kopierte (Unterschiede gibt es bei der zulässigen Strompreiserhöhung), haben die Stadtwerke Schwäbisch Hall als Vorreiter über 40 Solar- und – bundesweit ein Novum – auch zwei Windkraftanlagen gefördert. Den Betreibern der beiden 500-kW-Anlagen zahlt der Kommunalversorger seit August vergangenen Jahres mit 28 Pfennig pro Kilowattstunde einen Satz, der deutlich über dem Niveau des Stromeinspeisungsgesetzes von 17,15 Pf/kWh liegt. Die Resonanz hat Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen nicht überrascht: „Das Interesse ist einfach da.“

Das Interesse müsse noch gesteigert werden, sagt Energieexperte Albrecht Morguet von der Düsseldorfer Verbraucherzentrale: „Die kostendeckende Vergütung ist ausbaubedürftig.“ Wie ausbaufähig, zeigt ein Blick in eine Greenpeace-Statistik aus dem vergangenen Herbst: Danach brachten es die in den KV-Städten installierten Solaranlagen auf eine Gesamtleistung von rund 2,5 Megawatt.

Zu schaffen macht den Solaraktivisten vor allem der anhaltende, massive Widerstand von weiten Teilen der Stromwirtschaft. SFV- Geschäftsführer von Fabeck verweist dabei auf ein Strategietreffen der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke im Dezember 1995: „Konsens war, daß unser Modell mit allen Mitteln zu verhindern ist, da mit dieser dezentralen Stromversorgung so etwas wie die Machtfrage gestellt wird.“ Gezielt versucht die Stromlobby seitdem, die kostendeckende Vergütung mit dem „Grünen Tarif“ zu unterlaufen. Dabei zahlen die Stromkunden einen Aufschlag für jede Kilowattstunde, mit dem die Energieversorger neben einem Eigenanteil Solar-, Wind- oder Biomasse-Anlagen bauen.

Ein solches Programm haben mittlerweile mit der RWE Energie, die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, das Badenwerk, die Berliner Bewag oder die Energieversorgung Schwaben fast alle „big player“ der deutschen Strombranche aufgelegt. Johannes van Bergen, Chef der Stadtwerke Schwäbisch Hall, spricht von einem großen „Täuschungsmanöver“: „Die normalen Stromverbraucher dienen als Kreditgeber für die großen Energievesorger, die mit den neuen Solar- und Windkraftanlagen ihr Image verbessern können.“ Verbal geht Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Präsident der europäischen Solarenergie-Vereinigung Eurosolar, noch einen Schritt weiter: „Es ist eine Perversion, daß die Hauskunden den emissionsfreien Strom vorfinanzieren, den die Monopolisten produzieren müßten.“

Daß es heute überhaupt diese Green-Pricing-Angebote gibt, ist das Verdienst des Aachener Solarenergie-Fördervereins. Ihr Drängen auf die kostendeckende Vergütung hat Bewegung in die Solarförderung gebracht. Im Saarland beispielsweise haben sich fast alle Stromversorger im Rahmen des saarländischen „Solarpaketes“ bereit erklärt, jede Kilowattstunde Sonnenstrom mit 55 Pfennig zu vergüten. Zu den „zwei, drei Ausnahmen“, so das Saarbrücker Energie- und Umweltministerium, zählt der Regionalversorger Vereinigte Saar-Elekrizitäts-Aktiengesellschaft (VSE). Daß die VSE nicht mehr als die gesetzliche Vergütung und auch erst auf Druck der Landesregierung einen vergleichsweise geringen Zuschuß für jedes Kilowatt zahlt, ist nicht verwunderlich: Denn Mehrheitsgesellschafter mit 41,33 Prozent ist der Essener Stromgigant RWE Energie AG. Ralf Köpke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen