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Anschlag auf Lübecker Kirche

■ Kirche nach Brandstiftung vollständig zerstört. Nachbargemeinde gewährt einer algerischen Familie Kirchenasyl. Staatsanwalt vermutet rechtsradikalen Hintergrund

Berlin (taz) – Pfingsten hatten sie noch den Taufstein in einem feierlichen Gottesdienst eingeweiht. Die Ausstattung der Lübecker St.-Vicelin-Kirche war endlich komplett. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ging alles in Flammen auf: Brandstiftung mit rechtsradikalem Hintergrund, so der Verdacht von Polizei und Staatsanwaltschaft. Als die Feuerwehr gegen 1 Uhr nachts zu dem Brand gerufen wurde, entdeckte sie an einer Seitenwand des Kirchengebäudes fünf Hakenkreuze, die weiße Farbe noch frisch. Neben den Schmierereien stand der Name des evangelischen Pastors Harig – seine Gemeinde gewährt einer algerischen Familie seit zwei Wochen Kirchenasyl.

Besondere Verbindungen zwischen den beiden Kirchengemeinden habe es nicht gegeben, so die Pfarrersfrau zur taz. „Vermutlich wollten die Täter die Kirche als Institution allgemein treffen, als eine Einrichtung, die sich auch für Asylbewerber engagiert.“ Die Katholische St.-Vicelin- Gemeinde, deren Kirchengebäude im Laufe des Sonntags ausbrannte, hatte mit dem Thema Kirchenasyl nichts zu tun.

Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mitteilte, müsse zumindest einer der Täter Ortskenntnisse gehabt haben. Nur so könne das von Bäumen umwachsene, nicht einsehbare Kirchengrundstück zum Objekt des Anschlags geworden sein. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde das Feuer in einem Holzanbau gelegt. Von dort hätten die Flammen auf das Kupferdach der Kirche übergegriffen. Die Löscharbeiten konnten das Backsteingebäude aus den fünfziger Jahren nicht retten. Menschen wurden nicht verletzt.

Das Feuer in der St.-Vicelin-Kirche setzt die Serie von Brandanschlägen in Lübeck fort. Zweimal schon brannte die Synagoge, im Januar 1996 starben bei einem Anschlag auf ein Flüchtlingsheim zehn Menschen. Vor drei Monaten wurde eine Gartenlaube auf dem Grundstück des evangelischen Bischofs Karl-Ludwig Kohlwage angezündet und sein Haus mit Hakenkreuzen beschmiert. Auch er hatte sich für Flüchtlinge engagiert.

Die Staatsanwaltschaft geht auch einem möglichen Zusammenhang mit diesem letzten Anschlag nach. Außerdem wird geprüft, ob ein Bezug zu einer Demonstration von rund 150 Rechtsradikalen am letzten Samstag im nahen Bad Segeberg besteht.

Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen in Lübeck reagierten entsetzt auf den Brandanschlag. Propst Nils Hasselmann stellte sich hinter das Kirchenasyl der Evangelischen Gemeinde St. Marien. Ministerpräsidentin Simonis sagte bei einem Besuch am Tatort, daß man nicht immer mit dem Finger auf mögliche Attentäter zeigen dürfe, wenn man besser nach gesellschaftlichen Ursachen forschen sollte. Annette Kanis Reportage Seite 2

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