: Ein Anschlag auf die Solidarität
Am Tag nach dem Brandanschlag: Schüler schützen die Marien-Gemeinde, die Staatsanwaltschaft tappt im dunkeln und erste Erklärungen ■ Aus Lübeck Marco Carini
Der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz tappt bei der Aufklärung des Brandanschlags auf die Lübecker Sankt-Vicelin-Kirche, die am Sonntag in Flammen aufging, im dunkeln. Es gebe „bislang keine Spur, die eine baldige Aufklärung des Anschlags verspricht“.
Die fünf an die Außenwand der Kirche geschmierten Hakenkreuze und der ebenfalls angesprühte Name des evangelischen Pastors Günter Harig deuteten zwar darauf hin, daß „Täter aus der rechtsradikalen Ecke ihren Unmut darüber deutlich machen wollten, daß Harig“ in der Sankt-Marien- Gemeinde „einer algerischen Familie Kirchenasyl gewährt“. Doch, so Schultz: „Es sind auch andere Varianten möglich.“
Die Lübecker Polizei hat inzwischen eine 40köpfige Sonderkommission unter Leitung des Kriminalrats Norbert Trabf gebildet, die den bislang 20 Hinweisen aus der Bevölkerung nachgeht. Die Befragung der NachbarInnen der ausgebrannten Kirche und die Spurensicherung am Tatort stehen derzeit im Mittelpunkt der polizeilichen Arbeit. Für die Staatsanwaltschaft leitet Axel Bieler, einer der beiden Ankläger im Lübecker Brandprozeß gegen Safwan Eid, die Ermittlungen.
Klar ist bislang lediglich: Das Feuer entstand in einem hölzernen Geräteschuppen an der Seite der Kirche und setzte eine gefüllte Campinggasflasche in Brand. Von dem hölzernen Vorbau griffen die Flammen auf die Dachkonstruktion der Kirche über, bis schließlich das ganze Gebäude lichterloh in Flammen stand. Ob bei dem Anschlag Brandbeschleuniger benutzt wurden, ist unklar.
Am Tag nach dem Brand ist das Kirchengelände der Sankt-Vicelin-Gemeinde provisorisch abgesperrt, am hölzernen Geräteschuppen gehen zwei Mitarbeiter der Spurensicherung ihrer Arbeit nach. Im Gemeindehaus kondoliert der Vorsitzende der Lübecker Zentralmoschee, Izzet Ciftei, dem Pastor Klaus Weigand. „Wenn wir uns nicht gemeinsam dagegenstellen, brennt es morgen auch bei uns“, sagt der Muslim. Und sein katholisches Gegenüber, der an diesem Tag seinen 68. Geburtstag begeht, bemerkt sichtlich um Fassung bemüht: „Die Kirchen sind doch die Seele Lübecks.“ Vor der ausgebrannten Kirche haben sich NachbarInnen versammelt. Den Anblick der zersprungenen Glasscheiben, die einen Blick auf das verkohlte Portal freigeben, quittieren die meisten Schaulustigen mit betretenem Kopfschütteln.
Vier Kilometer nördlich in der Lübecker Innenstadt bilden rund 100 SchülerInnen eine Menschenkette um die Sankt-Marien-Kirche, um symbolisch die algerische Familie, die hier Kirchenasyl genießt, zu schützen. Ein Redner mit einem Dutzend Ringen in beiden Ohren fordert „das sofortige Verbot aller rechtsradikalen Parteien“. Dann greift sich Angelika Birk, die grüne Jugendminister des Landes, das Megaphon. Sie fordert die Jugendlichen auf, „denjenigen, die Fremdenhaß schüren, entschlossen entgegen zu treten“. Warum immer wieder Lübeck das Ziel rechtsradikaler Brandanschläge sei, wird sie gefragt. „Es gibt offenbar Menschen, die es nicht ertragen, daß diese Stadt deutlich gemacht hat, daß es hier Solidarität mit ausländischen Menschen gibt“, lautet die Erklärung der Ministerin.
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