Prozeß gegen Kurden hat begonnen

■ Anklage wegen Anschlag auf türkischen Fernsehsender

Am gestrigen Dienstag begann vor dem Landgericht Berlin der Prozeß gegen den 36jährigen Kurden Cemal D. Ihm wird vorgeworfen, am 4. November 1993 an einem Anschlag auf den türkischen Lokalsender TD-1 in Berlin-Wedding beteiligt gewesen zu sein. Bei dem Anschlag hatten mehrere Personen Molotowcocktails und Steine gegen das Gebäude geworfen, wodurch ein Sachschaden von 20.000 Mark entstanden war. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Cemal D., der wegen versuchter schwerer Brandstiftung, Waffenbesitz und Sachbeschädigung angeklagt ist und bereits seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, verweigerte zu Prozeßbeginn die Aussage. Er hatte schon in früheren Vernehmungen die Vorwürfe bestritten.

Auch die drei gestern vernommenen Zeugen, der Besitzer von TD-1, sein Sohn und der damalige Produktionsleiter, die sich während des Angriffs in dem Gebäude befanden, konnten den Angeklagten nicht wiedererkennen. Nach Aussagen von D.s Anwalt Kaleck stützt sich die Anklage nur auf die Aussage eines Kronzeugen, der jedoch selbst nicht Augenzeuge der Tat gewesen war.

Von der Polizei wurde die Tatmit einer bundesweiten Anschlagsserie der danach verbotenen PKK in Verbindung gebracht. Der TD-1-Geschäftsführer sagte aus, die Angreifer hätten „PKK, wir sind Kurden“ gerufen. Die anderen beiden Zeugen konnten dies jedoch nicht bestätigen, und auch die Anklage lautet nicht auf Mitgliedschaft in der PKK.

Der Fernsehsender TD-1, der seit 1985 besteht und damit der älteste und bekannteste türkische Berliner Sender ist, wurde von den Zeugen als „neutraler Lokalsender“ beschrieben, der „nicht politisch“ sei und sich nicht zwischen die Fronten stellen wolle. Der Besitzer und Geschäftsführer erklärte allerdings, Nachrichten von anderen türkischen Medien zu übernehmen und nicht über Kurden berichtet zu haben. Allgemein gilt TD-1 als kommerzieller, konservativer und streng regierungstreuer Sender. So durfte beispielsweise Ende 1994 der frischgewählte Istanbuler Bürgermeister sich selbst interviewen, darin gegen türkische Aleviten hetzen und für seine stramm rechte Wohlfahrtspartei werben. Tobias Singelnstein