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Betr.: Clara Wendel

Clara Wendel, die „Räuberkönigin der Schweiz“: Sie galt als schön und unerbittlich zugleich, verwirrte die Untersuchungsbehörden mit Aussagen, in denen sie sich ständig selbst widersprach, und beschuldigte sich selbst zuletzt, weit mehr Verbrechen begangen zu haben, als ihr von offizieller Seite nachgewiesen werden konnten. 14 Brandstiftungen, 1.588 Diebstähle und 20 Morde nahm sie auf sich. Als sie im Jahre 1867 von einem Nachbarn der versuchten Vergiftung bezichtigt wurde, schmetterte das Gericht seine Klage ab. Die Begründung lautete, diesem abgefeimten Weibervolk sei ohnehin keine Untersuchungsbehörde gewachsen. Ihre Strafe von immerhin zwölf Jahren Zuchthaus überlebte sie, um anschließend zurückgezogen im Kanton Luzern zu leben, wo sie im Oktober 1884 in einer Irrenanstalt starb.

Clara Wendel ist ein gutes Beispiel für die Verklärung des Lebens einer Vagantin und Kriminellen. Die Berühmtheit der heimatlosen Bettlerin rührt nicht zuletzt daher, daß sie offenbar bereits als Zehnjährige in einen Politmord des Jahres 1816 verwickelt war. Clara behauptete, das Verbrechen am liberaldemokratischen Schultheissen Keller gehe auf das Konto ihres eigenen Gaunerclans. Mit dieser Aussage trat eine jähe Wende in das Verfahren ein. Gleichzeitig stand Clara nunmehr im Mittelpunkt von brutalen Verhören und hartnäckigsten Nachforschungen.

Aber auch außerhalb der Gerichtssäle stieß die Person der Clara Wendel auf reges Interesse. Von der Kolportageliteratur wurde sie stilisiert zur absoluten Gaunerkönigin der Schweiz, bei der sämtliche Fäden der Unterwelt zusammenliefen. Interessanterweise stellten zumindest im 19. Jahrhundert Frauen das Lesepublikum der Schauer-, Räuber- und Ritterliteratur dar, weswegen den männlichen Heroen in der Regel eine weibliche Hauptfigur zur Seite gestellt wurde. Mit der Wendel als alleiniger weiblicher Hauptfigur wurde mit dieser Tradition sozusagen gebrochen. Dieser Schritt von den (Gerichts-)Fakten zur literarischen Fiktion wurde im allgemeinen vollzogen, ohne daß etwaige entsprechende reale Grundlagen in der Form von Biographien oder Briefen der literarischen Protagonistinnen vorgelegen hätten oder verwendet worden wären. Bild: Limmat Verlag

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