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„BSE-Hysterie treibt uns in den Ruin“

■ Ein Galloway-Züchter weigert sich, seine Rinder zu töten - und streitet sich mit dem Bioverband

Ein entferntes Knacken dringt durch den dichten Nebel. Keine zehn Meter weit reicht der Blick durch die grauen Schwaden. Das Geräusch wird lauter, begleitet von einem Stapfen durch morastigen, feuchten Boden. Dann ein tiefes Schnaufen – und wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein riesiger schwarzer Koloß zwischen Erlenbüschen und Nebelwand hervor.

Achthundert Kilo schwer ist er, der Galloway-Bulle Grobi. Nicht durch die schottischen Berg- und Moorlandschaften zieht der schwarze Riese mit seiner Herde. Seine Heimat ist das Oldenburger Land: In Kroge bei Lohne bei Diep holz, irgendwo zwischen Ems und Weser, auf den weiten Weiden des Bio-Landwirts Jürgen Göttke-Krogmann.

Aber vieles erinnert an das schottische Herkunftsgebiet: Der Wechsel zwischen feuchten Wiesen und Mooren mit sandigen Steppen, die vielen kleinen Wälder und Büsche, vor allem aber die Weite des Landes und die häufige Enge durch den Nebel. „Daher“, so der Galloway-Züchter und diplomierte Landespfleger Göttke-Krogmann, „passen diese Extensiv-Rinder auch so hervorragend hierher: Sie fühlen sich wohl, und für die Landschaft ist das die schonenste und sensibelste Nutzung.“

Doch die Idylle ist in Gefahr: Die Rinder sollen geschlachtet werden. Nicht zum Verzehr, sondern zur Vernichtung. So sieht es die Bundesverordnung vor, so will es auch der Bioland-Verband: BSE-Verdacht heißt es einmütig. BSE-Hysterie nennt das Göttke-Krogmann – er denkt nicht daran, seine Rinder zu töten. Und tatsächlich: Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für den Verdacht, die Tiere könnten infiziert sein. Vor zwölf Jahren kaufte der Züchter zwei Muttertiere aus Schottland, die Inkubationszeit von BSE, d.h. die Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit, beträgt etwa drei, maximal sechs Jahre. Trügen die Kühe den BSE-Erreger in sich, wären sie längst tot. Außerdem sind die Galloways nie mit Tiermehl gefüttert worden. Und einen anderen Infektionsweg als den aufgezwungenen Kannibalismus gibt es für Rinder nicht.

Das sehen auch die Verbände der Bio-Landwirte nicht anders.

Harald Gabriel vom Bioland-Landesverband Niedersachsen sieht dennoch momentan keine Chance für die Züchter von Galloways und anderen Extensiv-Rassen: „Es bringt nichts, gegen die Medien anzurufen, da kommt man nicht durch.“Bioland legte also seinen Mitgliedern nahe, alle Rinder aus Großbritannien, Irland, der Schweiz und mit unsicherer Herkunft zu schlachten – wider differenzierterem Wissen. Biopark, jüngster ökologischer Anbauverband und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern verbreitet, ließ die betroffenen Mitglieder vollends im Regen stehen. Weil die Großabnehmer – vor allem Babynahrung-Hersteller – bei den Vertragsverhandlungen darauf pochten, strich der Verband kurzerhand die Vermarktung aller britischer Rassen – unabhängig ihrer Herkunft.

Für Biopark-Chefin Heide-Dörte Mattes keine Frage: „Bei diesen Dimensionen können wir auf so wenige Züchter keine Rücksicht nehmen.“Und der flächenmäßig größte Verband der ökologischen Landwirtschaft setzte noch eins drauf: Biopark wirbt damit, keine Galloways und andere Exoten im Angebot zu haben. Dabei war Mattes bis zu dieser Entscheidung nicht nur selbst Galloway-Züchterin, sondern sogar im Bundesvorstand des Züchterverbandes aktiv.

Das eigentliche Ziel der ökologischen Anbauverbände geht dabei mehr und mehr verloren: Bei allen Herkunftsnachweisen ist von artgerechter Haltung kaum noch die Rede. Vor allem die konventionell wirtschaftenden Betriebe setzen nur noch auf das Prädikat deutsch. Die in der Aktionsgemeinschaft Deutsches Fleisch (AGF) zusammengeschlossenen Landwirte, Schlacht- und Einzelhandelsunternehmen werben auf schwarz-rot-goldenen Hochglanzbroschüren für Fleisch deutscher Herkunft und deutscher Produktion.

Für Jürgen Göttke-Krogmann eine Entwicklung in die falsche Richtung: „Es ist doch völlig absurd. Die Betriebe, die Schweine in Massentierhaltung mästen, machen zur Zeit Rekordgewinne, während die Bio-Betriebe boykottiert werden.“

Die Tatsachen sprechen für ihn. Unter den weit über 160.000 BSE-erkrankten Rindern in Großbritannien waren ganze acht Galloways. Und die sind nicht artgerecht in Mastbetrieben gehalten und mit Tiermehl gefüttert worden. Der Galloway-Züchter aus dem Oldenburger Land sieht in der Öffentlichkeitskampagne eine bloße Marktstrategie. „Es werden Sündenböcke gebraucht, damit der Fleischmarkt wieder in Gang kommt. Nur so ist zu erklären, daß die jüngsten BSE-Fälle in den Niederlanden kaum Erwähnung fanden in den Medien. Denn diese notgeschlachteten Tiere waren Schwarzbunte vom Festland.“

Wie wenig sich tatsächlich in der Landwirtschaft ändert, sieht der Bio-Landwirt täglich in seiner Nachbarschaft: Zwischen riesigen Schweinemastbetrieben und Hühner-Batterien liegt, versteckt hinter einer Baumreihe, eine Fabrik: „Dorthin“, zeigt Göttke-Krogmann, „werden Tierkadaver aus ganz Europa gebracht und zu Tiermehl verarbeitet.“

Stephan Günther

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