„Es gab nur einen Fassadenwechsel“

■ Eine ehemalige Aktivistin des bewaffneten Arms der illegalen KP Spaniens/Wiedergründung (PCEr), GRAPO, über Versöhnung

Mercedes saß zehn Jahre in Haft, bis sie 1989 wegen schwerer Krankheit vorzeitig entlassen wurde.

taz: Vor Wochen wurden Gespräche zwischen der Regierung und den GRAPO-Gefangenen bekannt. Deutet dies auf eine Abkehr vom bewaffneten Kampf hin?

Mercedes: Die Kontakte, die übrigens von den Gefangenen abgebrochen wurden, bedeuten keineswegs einen Wechsel in der Politik der PCEr und der GRAPO. Wir haben den Einsatz von Gewalt immer politisch begründet. Der bewaffnete Kampf um des Kampfes willen lehnen wir strikt ab. Falls man uns zugesteht, mit friedlichen Mitteln für unsere Ziele einzutreten, werden wir das tun.

Der alte Teufelskreis? Die Partei ist verboten, weil sie eine bewaffnete Gruppe unterhält, und der bewaffnete Kampf geht weiter, bis die Partei legalisiert wird?

Die Partei ist illegal, weil wir von Anfang an für ein revolutionäres Programm eingetreten sind. Wir waren immer der Ansicht, daß wir das in diesem System nicht mit friedlichen Mitteln machen können. Das Regime hier steht in der Kontinuität der Franco-Diktatur. Die Transición (der Übergang von der Diktatur zur Demokratie; d. Red.) hat nichts geändert. In Spanien regieren noch immer die gleichen Oligarchien wie einst.

Warum dann die Gespräche?

Die Regierung hat die Kontakte gesucht, nicht wir. Unsere Überlegungen waren ganz einfach. Entweder die Partei wird legalisiert und wir dürfen offen für unsere Ziele eintreten, oder es gibt kein Ende des bewaffneten Kampfes. Die Regierung wollte da nicht mitspielen. Es ging ihnen nicht um wirkliche Demokratie, sondern um Frieden im Tausch für die Freilassung der Gefangenen. Die PCEr sollte innerhalb des von der Verfassung abgesteckten Rahmens legalisiert werden. Nicht nur wir hier draußen, sondern auch die Gefangenen waren gegen einen solchen Kuhhandel. Wir werden die Verfassung weder akzeptieren noch befolgen. Eine solche Lösung hätten wir 1982 schon haben können. Und auch damals haben wir die Verhandlungen abgebrochen.

Aber wie soll der Staat eine Partei legalisieren, die seit der Transición die direkten, bewaffneten Angriffe auf Vertreter von Staat und Armee rechtfertigt?

Unser Ziel war nicht die einfache Liquidierung von Vertretern der Repressionsorgane, die Angriffe galten vielmehr dem Typ von Demokratie, für den diese Personen in den Jahren des Übergangs standen. Uns ging es darum zu zeigen, daß es keine ernsthafte Wende, sondern nur einen Fassadenwechsel gegeben hat.

Läßt sich diese Analyse über 20 Jahre nach Francos Tod noch aufrechterhalten? Oder hat sich nicht vielmehr tatsächlich etwas geändert? Ich denke da zum Beispiel an die Beteiligung der Gewerkschaften am sozialen und politischen Leben, die persönlichen und politischen Freiheiten, etc.

Im Kern hat sich nichts geändert. Die Gewerkschaften etwa erfüllen nur die ihnen zugedachte Rolle, die Arbeiterklasse im Auftrag des Regimes zu kontrollieren. Das gleiche gilt für die meisten politischen Organisationen. Wer sich nicht in diesen Bahnen bewegt, erfährt die Repression.

Dieser Tage erleben wir eine juristische Aufarbeitung des Staatsterrorismus. Von den Ermittlungen gegen die „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL) sind sogar Ex-Innenminister betroffen. Ist nicht wenigstens das ein Beweis für funktionierende Demokratie?

Nein, denn diese Ermittlungen sind nichts weiter als der Ausdruck von Widersprüchen zwischen einzelnen Sektoren der Oligarchie. Interview: Reiner Wandler