: Nölle will gegen Neumann kämpfen
■ Wird Neumann als CDU-Parteivorsitzender gestürzt? Unterliegt Nölle?
Gespannt warteten die Journalisten am Freitag nachmittag am Faxgerät: Erklärungen sowohl des Finanzsenators Ulrich Nölle wie des Landesvorsitzenden Bernd Neumann waren angekündigt. Würden sich Spekulationen um einen Rücktritt Nölles einen Tag vor der CDU-Vorstandsklausur bewahrheiten? Würde Neumann den Wirtschaftssenator Hartmut Perschau als Nachfolger und damit neuen Spitzenkandidat für die nächste Wahl vorschlagen? Oder würde Wolfgang Schrörs als Finanzsenator ins Rennen geschickt, was dem Landesvorsitzenden Neumann die Option offen halten würde, 1999 selbst anzutreten?
Kurz nach 15 Uhr kam dann das erlösende Papier aus dem Gerät. Ulrich Nölle, vom Weser-Kurier indirekt aufgefordert zu kämpfen, betrat den Ring. In seiner Eigenschaft als „stellvertretender Landesvorsitzender“erklärte er, es seien „Reibungsverluste in der Bremer CDU“deutlich geworden. „Erfolgreiche Regierungsarbeit ist nur mit Unterstützung der Parteiführung möglich.“Eine klare Ohrfeige gegen Neumann. Und dann der Machtanspruch: „Dies wird am besten dadurch gewährleistet, wenn das führende Regierungsamt und die Funktion des Parteivorsitzenden in einer Hand liegen, wie es sich in der Geschichtem der Bundesrepublik bewährt hat.“
Der Pressesprecher der CDU hat gleich im Anschluß an die Nölle-Erklärung die Antwort des CDU-Landesvorsitzenden Neumann aufs Fax gelegt. „In einem langen freundschaftlichen Gespräch“, so Neumann, habe er Nölle „deutlich gemacht, daß er nach wie vor mein uneingeschränktes Vertrauen als Bürgermeister und Finanzsenator hat... Es ist abwegig, ... den Landesvorstand in eine nicht gewollte Personalalternative zu drängen.“Er, Neumann, habe „fest vor“, Parteivorsitzender zu bleiben.
Damit ist der parteiinterne Machtkampf zum Spielchen „Viel-Lärm-um-nichts“stilisiert, Nölle wäre der Störenfried und Angreifer. Das sah tags zuvor noch anders aus. Neumann hatte ausgerechnet in dem Monat, in dem die CDU um den Hemelinger Tunnel stritt, eine kleine Umfrage in Auftrag gegeben. 40.000 Mark sollte Schatzmeister Wolfgang Schrörs der Fraktionskasse dafür entnehmen. Pünktlich zwei Tage vor der Klausur wurden die Umfrageergebnisse dem Weser-Kurier zugesteckt: Nicht einmal 30 Prozent der Bevölkerung würde die CDU wählen, wenn sie jetzt die Wahl hätte, ergab die Sonntags-Frage. Die SPD und die Grünen wären die glücklichen Erben der großen Koalition.
Pflugradt, auch Mitglied im Fraktionsvorstand ist, drängte zusammen mit Wolfgang Schrörs am Donnerstag abend auf Vertagung der für Freitag früh angesetzten Finanzdeputation, in der Nölle sich für seine Unterschrift unter den Verkaufskonditionen der Bremischen die Zustimmung der Parlamentarier holen wollte. Nölle, so muß man diese Terminpolitik interpretieren, sollte auf der CDU-Klausur am Wochenende allein in dieser CDU-intern umstrittenen Frage dastehen. Pflugradt und Schrörs wurden gleichzeitig für neue Posten ins Spiel gebracht, der eine als Bau-Staatsrat, der andere als möglicher Nachfolger von Nölle. Schon Anfang der Woche hatte Perschau, der aus dem Wind gegen Nölle Nutzen ziehen könnte, im Senat ostentativ gegen Nölle gestimmt.
So standen alle Zeichen auf Nölle-Sturz – das muß der genauso gesehen haben und ging zum Gegenangriff über. „Die CDU kann auf keinen der beiden verzichten“, orakelte gestern abend Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer. K.W.
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