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Die Intelligenz der Schwäne

■ Mit Bauernschläue gegen Kritik: Zwischen den Beuys-Sammlern van der Grinten und der Witwe Eva Beuys gibt es Streit um Bildtitel und Ausstellungskonzeption

Vor zwei Wochen wurde die größte Sammlung mit Kunstwerken von Joseph Beuys eröffnet (siehe taz vom 24./25.5.). Seitdem steht die Konzeption in der Kritik, mit der die Brüder Hans und Joseph van der Grinten das Museum Schloß Moyland im niederrheinischen Bedburg-Hau eingerichtet haben. Beuys-Freund Klaus Staeck beklagte sich über die üppigen Rahmen der Zeichnungen, und in den Feuilletons wurde die konfuse Hängung der bald 60.000 Exponate bemängelt.

Am meisten aber ärgert sich Eva Beuys. Für sie geht es in Schloß Moyland nicht darum, das künstlerische Erbe ihres Mannes zu verwalten, sondern um die Selbststilisierung der sammelnden Brüder. „Ständig erzählt Hans von seiner Freundschaft mit Beuys, dabei kam er doch nur zum Abholen“, bemerkt sie höhnisch. Der Streit zwischen Nachlaßverwalterin und Sammlern eskalierte, als die van der Grintens dem Bundestag ein Beuys-Relief als Leihgabe überließen. Rita Süssmuth, bekennender Beuys-Fan, war sofort Feuer und Flamme für den „Beuys zum Nulltarif“. Leider fehlte dem Relief, das als Teil einer Installation für die Chirurgische Klinik der Medizinischen Akademie in Düsseldorf geplant war, ein Titel. Kein Problem für Hans und Franz Joseph. „Gräberfeld“ soll es heißen, ein Titel, der politisch korrekt ist, nur leider nicht wissenschaftlich fundiert. Zwar versuchten die Sammler in einer Ausstellung im heimatlichen Kranenburg Anfang des Jahres ihre Namensgebung zu beweisen, überzeugen konnten sie jedoch nicht. Willkürliche Titel durch Hans und Franz Joseph van der Grinten sind für Eva Beuys nichts Neues. „Das ist typisch für sie. Innerhalb von 14 Tagen ändern die van der Grintens Daten, Namen und Anbringung“, erklärt sie gelassen und verweist auf das jüngste Kapitel des Possenspiels. Ein Relief von Beuys, das einen Schwan zeigt, wurde im Museum Schloß Moyland falsch herum aufgehängt. In den museumseigenen Katalogen sieht man einen Schwan von links nach rechts ins Bild fliegen. Aufgehängt wurde es aber so, daß der Schwan von rechts nach links fliegt. Eine Erklärung hat man flugs zur Hand: „Wir haben einen niederländischen Förster gefragt, der uns sagte, daß das Relief so herum hängen muß, weil der Schwan nur so fliegen kann“, rechtfertigt Barbara Strieder vom Museum Schloß Moyland die neueste Variante.

Eva Beuys kann darüber nur lachen. „Schwäne mit gekrümmtem Hals können überhaupt nicht fliegen“, erklärt sie und verweist auf eine Zeichnung von Beuys, die dem Relief bis ins Detail gleicht. „Sterbender Schwan“ heißt das Bild und zeigt einen stehenden Schwan. Kurios daran ist, daß Eva diese Abbildung in einem Van- der-Grinten-Katalog von 1971 gefunden hat. 13 Jahre später taucht die gleiche Zeichnung übrigens in einem weiteren Katalog der Brüder mit dem Titel „Intelligenz der Schwäne“ wieder auf.

Hans und Franz Joseph van der Grinten scheint das alles völlig gleichgültig zu sein. „Frau Beuys hat Rechtstitel, aber die haben nichts mit ihrer Sachkenntnis zu tun“, kanzelt Hans die Kritik der Witwe kurz und bündig ab. Die beiden Sammler haben Beuys wieder zurück an den Niederrhein geholt, wo er aufgewachsen ist, und ihm zu neuem Glanz verholfen. Ein Glanz, in dem genug Platz ist für Hans und Franz Joseph van der Grinten. Andere Beuys-Kenner stehen dabei nur im Weg. So zeigt das Museum im Schloß Moyland auch weniger den Künstler als die Sammler. Olaf Polke

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