: Daten haben? Ärzte fragen!
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Schrader kritisiert laschen Umgang der Ärzteschaft mit PatientInnendaten ■ Von Marco Carini und Sabine Schrader
Datenschutz in der Arztpraxis ist für viele MedizinerInnen ein Fremdwort. Gespeicherte PatientInnendaten sind bei den meisten niedergelassenen ÄrztInnen der Hansestadt vor dem Zugriff unbefugter Dritter nur unzureichend geschützt, kritisierte gestern Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader. Das Problem: Da Computer keine Schweigepflicht kennen, droht nach Schraders Meinung der gläserne Patient.
So können externe System-TechnikerInnen sich bei Reperaturarbeiten in aller Regel problemlos den Zugriff auf sensible Patientendaten verschaffen, da die gängige Praxen-Software keine Abstufung der Zugriffsmöglichkeit bietet. Doch nicht nur der unbefugte Zugriff ist möglich: Die streng geheimen Informationen können – einmal aufgerufen – auch ohne Schwierigkeiten verändert und kopiert werden. Auch PatientInnen, die sich im Empfangsbereich der Praxis aufhalten, könnten schell mal einen Blick auf die computerisierte Krankenakte ihrer Nachbarn werfen. Ungesicherte Bildschirme machen das möglich.
„Den Ärzten fehlt weitestgehend die Sensibilität“beim Schutz der Patientendaten, lautet Schraders Diagnose für den kränkelnden Datenschutz in der Arztpraxis. Der Umgang des Personals mit der elektronischen Datenverarbeitung sei oftmals allzu „sorglos“. Ein weiteres Problem sei, so Schrader, daß sich die Patientendaten im nachhinein ganz nach Belieben ändern, löschen und ergänzen ließen. Da solche Eingriffe keine Spuren hinterließen, seien die Aufzeichnungen, etwa bei einem Kunstfehlerprozeß, fast wertlos.
Als Therapie gegen den gläsernen Patienten empfiehlt Schrader den Softwareherstellern, datenschutzfreundliche Programme zu entwickeln. Mit der Kassenärztlichen Vereinigung steht der Datenschützer im Dialog über Fortbildungsmaßnahmen, die das Datenschutzbewußtsein der Ärzteschaft auf Vordermann bringen sollen. Doch solche Angebote, weiß Schrader, würden bei den niedergelassenen MedizinerInnen „auf wenig Interesse“stoßen. Das bestritt die Kassenärztliche Vereinigung gestern. „Wir informieren laufend. Das Interesse ist rege“, erklärte KV-Sprecherin Belinde Diethelm.
Probleme hat Hamburgs oberster Datenschützer nicht nur mit der fehlenden Datensicherheit in den Praxen; auch die Schulen bereiten ihm arges Kopfzerbrechen. Der Datenschutzbeauftragte moniert, daß im novellierten Hamburger Schulgesetz, welches am 1. August in Kraft tritt, eine Passage fehlt, nach der auf Klassenkonferenzen, an denen auch Eltern und SchülerInnen teilnehmen, nicht über pädagogische Maßnahmen für einzelne SchülerInnen beraten werden darf.
Als „Mangel des Gesetzes“bezeichnet Schrader zudem die Regelung, nach der SchülerInnen ab ihrem 14. Lebensjahr dem Findungsausschuß zur Auswahl der SchulleiterInnen angehören dürfen. Die Konsequenz: Die PennälerInnen sind berechtigt, in den dienstlichen Beurteilungen der BewerberInnen zu schmökern. Schrader: „Diese sehr sensiblen Daten gehören nicht in die Hand von Minderjährigen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen