: Wohnen auf Nimmerwiederkehr
Kehrwiederspitze wird doch nur Bürokomplex: Wohnungsbau vor dem Aus. Stadt verweigert „finanzielles Engagement“ ■ Von Heike Haarhoff
100 Wohnungen sollten es werden. 100 Nobelappartements in einem Turm in citynaher Sahnelage und mit traumhaftem Blick über den Hamburger Hafen. Es wird beim Traum bleiben: Der Wohnungsbau an der Kehrwiederspitze steht vor dem Aus. „Die Kosten sind einfach zu hoch“, begründet Bernhard Buderath, Sprecher des Immobilientrusts Hanseatic Trade Center GmbH & Co Grundbesitz KG (HTC), weshalb Bauherr HTC „wahrscheinlich“und entgegen aller Absprachen mit der Stadt jetzt doch nur Bürogebäude auf dem Filetstück nahe der Speicherstadt bauen will.
„Es muß sich eben rechnen“, bedauert auch der verantwortliche Projektentwickler Ezra Chaouli das drohende Wohnungsbau-Ende. Bauen am Wasser, klagen Buderath und Chaouli im Chor, sei wegen aufwendiger Hochwasser-, Brand- und Katastrophenschutzmaßnahmen „immer teurer als anderswo“. Noch schlimmer aber seien die aufgelaufenen „sinnlosen Kosten in Millionenhöhe“– entstanden durch doppelte Planung, „erzwungenen“Kauf eines Hafengebäudes an der Kehrwiederspitze sowie Brücken-, Kaimauer- und Stegebau.
Kurz: Der Wohnungsbau könne nur noch gerettet werden, wenn die Stadt direkt – durch Finanzspritzen – oder indirekt durch Übernahme von künftigen Instandhaltungskosten sowie Beteiligung an Brand- und Katastrophenschutz das Projekt subventionieren werde. „Ein finanzielles Engagement ist ausgeschlossen“, stellt aber Bernd Meyer, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, klar.
Als 1991 die Herauslösung der Kehrwiederspitze aus dem Freihafen und ihre anschließende Bebauung beschlossen wurde, waren einzig 100.000 Quadratmeter Büroflächen geplant, verteilt auf mehrere Türme und fünf Bauphasen. Hierüber gibt es eine bis heute rechtsgültige Baugenehmigung. 50.000 Quadratmeter Büros sind inzwischen fertiggestellt, die Hälfte davon ist vermietet; 2001 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Erst 1995 – der Büromarkt stagnierte, und man wußte inzwischen den „Belebungswert“von Wohnungen in Bürostädten zu schätzen – vereinbarten Stadtentwicklungsbehörde und HTC per „vertraulichem Ergebnisvermerk“am 5. April, „in der Bauphase II ... mindestens ... 16.000 m2“der insgesamt 100.000 Quadratmeter für Yuppie-Herbergen zu opfern.
„Wir konnten das bereits fertige Architekturkonzept für die Büros vergessen“, so Buderath. „Millionen“seien so in den Sand gesetzt worden. An dem neuerlichen Architekten-Wettbewerb jedoch beteiligte sich die Stadt immerhin mit satten 110.000 Mark Staatsknete. Die sind wohl verloren. „Rückforderungen sind ausgeschlossen, selbst wenn die Wohnungen nicht gebaut werden“, erklärt Meyer. Schließlich sei die Summe nicht an HTC, sondern „als Preisgelder an Architekten gegangen“. Überdies habe die Stadt „kein Druckmittel“, den Wohnungsbau zu erzwingen: „Laut Baugenehmigung kann HTC, wenn und wann er will, nur Büros bauen. Oder auch gar nichts.“Auf einen rechtsverbindlichen Grundstücksvertrag hatte die Stadt verzichtet.
Statt dessen stellte sie der HTC in jenem „Ergebnisvermerk“in Aussicht, „als Ausgleich für die der HTC KG anteilig entstandenen Planungs- und Genehmigungskosten ... folgende Bauteile und Flächen nach Fertigstellung durch die HTC KG wieder in ihr Eigentum“zu übernehmen: Brücken- und Stegesystem, Kaimauern, Freiflächen entlang des Zollkanals sowie eventuell den „Umbau des Dükeroberhauptes“. Dadurch könnten „langfristig Unterhaltungskosten für die Stadt entstehen“, räumte Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) damals ein.
Heute will davon niemand mehr etwas wissen: „So ein Vermerk hat keine Rechtsgültigkeit“, behauptet Meyer. Und die HTC-Herren glauben ohnehin nicht, daß das dort Zugesicherte „reichen würde“. Spätestens bis zum Herbst will der Immobilientrust seine abschließende Wirtschaftlichkeitsrechnung der Stadt präsentieren. Danach wird Hamburg in einem Millionen-Poker um öffentliche Subventionen zeigen müssen, wieviel ihr der Wohnungsbau wert ist.
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