: Ein Herz für Kranke
■ Bundestag stimmt über Transplantationsgesetz ab. Reicht künftig die Erlaubnis der Angehörigen zur Organentnahme
Bonn (taz) – Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt der Diskussion: Muß eine Einwilligung des Spenders selbst für eine Organentnahme vorliegen, oder genügt die Zustimmung der nächsten Angehörigen? Soll und darf der Gesetzgeber den sogenannten Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichsetzen? Diese Fragen beschäftigen den Bundestag am Mittwoch, wenn über das umstrittene Transplantationsgesetz abgestimmt wird. Der Ausgang der Abstimmung ist offen, denn die Kontroverse über das geplante Gesetz zieht sich quer durch Parteien und Flügel. Bei der Abstimmung wird der Fraktionszwang aufgehoben.
Gestern haben in Bonn Vertreter aller Fraktionen, darunter auch Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig, einen gemeinsamen Änderungsantrag zu dem ebenfalls interfraktionellen Gesetzentwurf unter Federführung von Gesundheitsminister Horst Seehofer vorgelegt. Darin wird der Hirntod als Todeskriterium abgelehnt. Hirntote können noch Kinder gebären. Ihre Körper sind zur Neubildung von Zellen fähig. Ein Hirntoter, so die Befürworter des Antrags, sei deshalb etwas anderes als ein Leichnam.
„Den Hirntod mit dem Tod gleichzusetzen, bedeutet, das ganzheitliche Menschenbild zu verwerfen und durch ein hirnzentriertes zu ersetzen“, erläuterte Monika Knoche von den Bündnisgrünen. Das sei mit dem Wertesystem der Gesellschaft nicht vereinbar. Der Hirntod sei irreversibler Teil des Sterbeprozesses, nicht das endgültige Ende des Lebens.
Seehofer: Zustimmung der Familie soll reichen
Der Streit um die Möglichkeit, den Tod gesetzlich zu definieren, hat vor allem ethische und philosophische Gesichtspunkte. Die konkreten Auswirkungen sind gering. Auch unter den Befürwortern des Änderungsantrags, so Wolfgang Wodarg (SPD), ist der Hirntod als Entnahmekriterium für Organspenden „unumstritten“. Wenn ein hirntoter Patient noch nicht verstorben ist, ist dann nicht eine Organentnahme eine Tötung? Diesem Einwand begegnen die Antragsteller mit dem Hinweis, daß eine Tötung als Verkürzung des Lebens definiert sei. Bei Hirntoten finde dagegen zum Zwecke der Organentnahme eine „Verlängerung des Sterbeprozesses“ mit Hilfe von Maschinen statt. Größere Folgen wird der Ausgang der zweiten Kontroverse haben. Die Befürworter des Änderungsantrags haben sich nicht auf einen gemeinsamen Antrag über die Frage einigen können, wer einer Organentnahme zustimmen darf. Alle treten dafür ein, daß der Wille des Spenders maßgeblich sein muß. Strittig ist jedoch, ob dafür eine mündliche Willensbekundung zu Lebzeiten oder gar ein vermuteter Wille des Spenders ausreicht, oder ob eine schriftliche Verfügung, etwa in Form eines Spenderausweises, vorliegen muß.
Gesundheitsminister Seehofer und die Befürworter seines Gesetzentwurfs vertreten eine grundsätzlich andere Position. Dem Entwurf zufolge sollen Organe auch ohne Verfügung des Spenders transplantiert werden dürfen, wenn die Angehörigen zustimmen. Seehofer warnte gestern auf dem Kirchentag in Leipzig vor der „engen Zustimmungslösung“. Werde sie Gesetz, dann werde der bestehende Organmangel noch größer. Derzeit, so der Minister, beruhten 95 Prozent der Organentnahmen auf der Zustimmung von Angehörigen. Bettina Gaus
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