■ USA wollen 1998 ihre Truppen aus Bosnien abziehen: Clinton macht Druck
Wieder einmal gibt es Streit um die Bosnien-Politik. Und wieder einmal wird hinter verschlossenen Türen um ein politisches Konzept gerungen, den Befriedungsprozeß in dem kriegszerstörten Land doch noch voranzubringen. Die demonstrative Einheit auf dem „Gipfel der acht“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß hinter den Kulissen nach wie vor die Fetzen fliegen. Clintons Wort von dem Abzug der US- Militärs aus Bosnien ist ernstzunehmen. Denn dahinter steht eine politische Strategie.
In den letzten Jahren standen die Vorstellungen der militärisch und politisch wichtigsten europäischen Staaten Großbritannien und Frankreich den US-amerikanischen diametral gegenüber. Sie blockierten über Jahre jegliche Maßnahmen gegen den serbischen Expansionismus und gegen die Kriegsverbrecher. Es waren die USA, die militärische Gegenoffensiven der Kroaten und Bosnier ermöglichten und den Dayton- Prozeß initiierten. Jetzt wollen die proserbischen Kräfte in der internationalen Gemeinschaft auf eine Verlängerung des Mandats der internationalen Truppen drängen. Und damit den Status quo erhalten.
Nach wie vor ist ja das Land geteilt, nach wie vor bestimmen die nationalistischen Ideologen der Serben und Kroaten das Geschehen in Bosnien-Herzegowina. So wird nicht nur die Rückkehr der Vertriebenen blockiert, sondern auch der wirtschaftliche Aufbau, die gemeinsame Geldpolitik, die Entwicklung der Infrastruktur. Mit seinem Diktum will Clinton die internationale Gemeinschaft zwingen, die Blockierer härter anzupacken. Und da sind genug Hürden zu überwinden, auch in den eigenen Reihen. Nicht einmal die US-Militärs wollen gegen die Kriegsverbrecher vorgehen.
Wer jedoch gegen ein auf Dauer angelegtes Manöver der Nato in Bosnien ist, wer also tatsächlich die Reintegration des anerkannten und unabhängigen Staates will, der sollte sich jetzt schon mit einem Gedanken auseinandersetzen, der bei Clintons Aussage mitschwingt: Wenn die internationalen Truppen abziehen, könnte die bosnische Armee die Gelegenheit ergreifen, das gesamte Land militärisch zurückzuerobern. Und die Drohung sollte denjenigen, die nach wie vor auf die Teilung des Landes setzen, den Führungen in Belgrad und Zagreb also, zu Denken geben. Denn mit den Machtwechsel in London scheint eine der wichtigsten Blockaden für ein schärferes Vorgehen abgebaut zu werden. Erich Rathfelder
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