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Strahlenskandal neu durchleuchtet

UKE: Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen Radiologie-Chef Hübener wegen Körperverletzung in 19 Fällen wieder auf  ■ Von Sven-Michael Veit

Der Strahlenskandal am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) wird neu aufgerollt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat in 19 Fällen die Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung gegen Prof. Dr. Dr. Claus-Henning Hübener wieder aufgenommen. Der wegen der Vorfälle suspendierte Chefarzt der UKE-Radiologie soll zwischen 1986 und 1990 mehrere hundert Krebspatienten mit überhöhten Strahlendosen behandelt haben.

Allein von 66 Darmkrebs-Patienten hatten dadurch mehr als die Hälfte „schwere und schwerste Nebenwirkungen“erfahren, einige von ihnen sind inzwischen verstorben. Die Hamburger Wissenschaftsbehörde, Dienstherrin des UKE, mußte an mehr als 100 PatientInnen bereits rund 19 Millionen Mark an Schmerzensgeld zahlen.

Im Februar dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft insgesamt 169 Verfahren gegen Hübener eingestellt. Der Grund dafür, daß sie 19 davon jetzt wieder aufnehmen muß, ist die Arbeit des als „Patientenanwalt“bekanntgewordenen Wilhelm Funke. Der hat in diesen Fällen ein zusätzliches strafrechtliches Mandat von seinen Klienten bekommen, aufgrund dessen er erfolgreich Beschwerde eingelegt hat. „Das ist ein seltener Vorgang“, kommentierte Funke gestern zufrieden, „daß die Staatsanwaltschaft ihre eigene Entscheidung wieder aufhebt“. Für ihn ist das Ergebnis neuerlicher Ermittlungen klar: „Ich rechne mit der Erhebung einer Anklage gegen Hübener.“

Die Staatsanwaltschaft hatte die Einstellung der Ermittlungen damit begründet, daß körperliche Schädigungen von Patienten oder gar ihr Tod als Folge der von Prof. Hübener angewandten Strahlentherapie „nicht nachweisbar“seien. Die Wiederaufnahme der Verfahren soll nun zweierlei klären, so Rüdiger Bagger, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft. Erstens, ob die PatientInnen über die Behandlungsmethode ausreichend aufgeklärt worden waren, und zudem, ob diese überhaupt nötig gewesen sei. Die Strahlentherapie als solche könnte bereits als Körperverletzung gelten, wenn sie „nicht medizinisch notwendig gewesen“sei.

Daß sie das nicht war, daran hat Albrecht Lüders keinen Zweifel. Der Anwalt Prof. Hübeners hält die erneuten Ermittlungen aus formaljuristischen Gründen zwar für nachvollziehbar. Dennoch ist er sicher, daß die Grundlage für die Therapien „gegeben“war.

Patientenanwalt Funke bezweifelt dies nachdrücklich. Diverse medizinische Gutachten hätten der im UKE angewandten Behandlung ein „unvertretbar erhöhtes Risiko hinsichtlich Strahlenspätschäden“attestiert. Zudem habe Hübener gewußt oder wissen müssen, daß er eine „Methode mit experimentellem Charakter“anwende. Insoweit könne nicht nur von Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Denn bei „wissenschaftlichen Experimenten hinter dem Rücken der Patienten“, so Funke, könne auch „vorsätzliches Handeln“in Betracht kommen.

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