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Alte Versprechen

Wenig Konkretes brachte der erste Tag der UN-Versammlung „Fünf Jahre nach Rio“  ■ Aus New York Christa Wichterich

Zufrieden präsentiert Kanzler Kohl seine Initiative: Nach dem Motto „Vier Freunde müßt ihr sein“ hat Kohl den Präsidenten Brasiliens, den Premierminister Singapurs und den Vizepräsidenten Südafrikas um sich geschart, um gemeinsam für die „Aufrechterhaltung des Geistes von Rio“ zu fechten. Es folgen aber nur vage Absichtserklärungen und Platitüden wie der Vorschlag einer „Dekade zur nachhaltigen Nutzung und Erzeugung von Energie“.

Neben Kohls Vagheiten klangen die Reden des britischen Premiers Tony Blair und des holländischen Regierungschefs Wim Kok am Montag geradezu entschlossen. Sie nannten konkrete Zahlen und Ziele. Kok forderte eine Ökosteuer, Blair kritisierte die Tatenlosigkeit der USA, kündete mehr Armutsbekämpfung in Afrika an und weniger Ausstoß von Treibhausgasen: minus 20 Prozent statt des EU-Durchschnitts von 15 Prozent.

Doch Kohls Show kam an, auch wenn andere europäische Länder sauer sind über seinen Alleingang hinter ihrem Rücken. Gefragt, ob denn die Initiative eine reale Chance habe, antwortete der Kanzler mit seiner ganzen Selbstgewißheit: „Wenn man immer fragt, ob etwas eine Chance hat, passiert gar nichts.“

Bei den versammelten NGOs mischen sich nach den ersten Verhandlungen über das Abschlußdokument Frust und Wut. „Konzept- und hoffnungslos“, wettert Jan- Gustav Strandenaes für den Leitungskreis der NGOs über die Regierungen. Die Debatten seien „absurdes Theater“, in dem Versprechen wiederholt würden, die längst gebrochen sind, und über Punkte gestritten würde, über die man schon einig war.

Finanzierung ist das Kernthema in New York. Der Süden fordert vom Norden als Hauptverursacher globaler Umweltschäden Geld und Technik, um Armut beseitigen und die Umwelt schützen zu können. Der Norden macht keine neuen Mittel für den Süden locker, sondern verlangt – und dies fiel in den Reden mehrerer EU-Vertreter auf – mehr Eigenleistung.

Hilfe für den Süden wird unterschiedlich definiert. Der G-7-Gipfel in Denver beschloß für Afrika „Handel statt Hilfe“. Japans Ministerpräsident Hashimoto verkündete „grüne Hilfe und grüne Technologie“. Die Entwicklungshilfe wird zwar reduziert, aber ein größerer Teil soll in den Umweltschutz fließen. Eine südkoreanische Initiative will einen kostengünstigen Technologiepool für Länder des Südens einrichten. Kanzler Kohl meint, daß der Norden „wirtschaftliche Hilfe und Technologie“ bieten soll.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie sitzt als NGO in der deutschen Delegation, neben einem Vertreter der Gewerkschaften und des Deutschen Naturschutzrings. Stinksauer ist Reinhard Hermle von Misereor, daß dagegen keine Entwicklungs- NGO dabei ist. Ein Zeichen setzte Ministerin Merkel, als sie ihr Debüt in New York im Kreise deutscher Unternehmer gab, voll des Lobes für deren Selbstverpflichtungen für Treibhausgase. Derweil wurden vor dem UN-Gebäude zwei Greenpeace-Aktivisten festgenommen: Sie wollten ein 15 Meter großes Transparent entfalten, das die Freiheitsstatue zeigt – bis zur Hüfte im Wasser vom Abschmelzen der Polkappen. Damit wollten sie gegen die Klimapolitik der Industriestaaten protestieren.

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