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Bloß eine linke Geschichte?

■ Warum der Christopher Street Day in Bremen nicht gefeiert wird / Ein Essay

Die Herkunft von Christopher Street hat die taz mit Augenzwinkern aufgeklärt (vgl. S. 33), doch um die Party „zu seinen Ehren“ranken sich weiter Geheimnisse. Während die Szene in Berlin, Hamburg, Köln oder Oldenburg den Homo-Karneval zelebriert, findet der Christopher-Street-Day (CSD) in Bremen vor allem im Kalender statt. Seit beim Eklat 1994 die „Kommerz-“und die „Anti-Kommerz-Fraktion“aufeinanderprallten, ist die Party in der Hansestadt vorbei. Von „ratlos“über „hoffnungsvoll“bis „unnötig“reicht das Spektrum der Kommentare über die Gründe und eine mögliche Wiederauflage (vgl. Spalte). CSD in Bremen – das klingt ganz nach einer dieser linken Geschichten.

In Downtown Manhattan hat in der Nacht auf den 28. Juni 1969 alles angefangen. Unter dem Vorwand, in der Schwulenbar „Stonewall Inn“in der Christopher Street werde ohne Lizenz Alkohol ausgeschenkt, marschierte die Polizei zur Razzia auf und erntete einen Aufruhr: Mehrstündige Straßenkämpfe waren die Folge. Fortan galt der Tag als kollektives Coming out – als D-Day des öffentlich gemachten schwul-lesbischen Selbstbewußtseins.

Ein Vierteljahrhundert später mußte an die Anfänge nicht nur in New York erinnert werden: „Stonewall was a riot!“– „Stonewall war ein Aufruhr!“wandten sich PlakatschreiberInnen gegen die Trivisialisierung. Die Kids der 80er gaben sich vergeßlich und verwandelten den Jahrestag der Revolte im Jahrzehnt der Eitelkeiten zur Gay-Love-Parade. Die Party war die Botschaft, die politische Demo wurde Nebensache. Wem's nicht gefiel, zog sich zurück. Zugleich wurde der CSD zum kommerzialisierten Spektakel und – so hip wie die rote Schleife, mit der sich Hinz & Kunz Hetero liberal und mit den Hiv-Infizierten solidarisch geben.

Warum ist es aber ausgerechnet in Bremen zum Eklat gekommen und riefen Schwule und Lesben vor drei Jahren die Polizei gegen Schwule und Lesben zu Hilfe? „Die“Szene rätselt, macht Andeutungen oder schweigt lieber. Es hat den Anschein, daß an dem Gerede vom toleranten Klima in der Hansestadt etwas dran ist. Denn wo der große „Feind“fehlt, sucht man sich die Gegner unter seinesgleichen. Das Ganze also doch bloß eine Geschichte linken Sektierertums? Nicht nur. Zum Hamburger CSD-Umzug fanden sich nach VeranstalterInnenangaben am vergangenen Wochenende rund 15.000 Menschen ein. Geschätzte 200.000 Schwule und Lesben leben aber unter den 1,8 Millionen anderen Normalen. Daß das Teilnehmen oder Wegbleiben keine Gewissensfrage mehr ist, liegt vielleicht auch am Auffruhr am 28. Juni 1969. ck

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