Zuhälter und Prostituierte

■ "FAZ" verlor Prozeß: Ein Kölner Gericht bewertete die Aussage, "FAZ"-Journalist Udo Ulfkotte sei für einen firmenfreundlichen Artikel von Shell geschmiert worden, als "Werturteil mit Tatsachenbezug"

Köln (taz) – Die von Shell gesponserte Nigeria-Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (siehe taz vom 23. und 30. Mai) darf auch weiterhin ungestraft als „journalistische Prostitution“ bezeichnet werden.

Das Kölner Landgericht wies gestern die Klage der FAZ GmbH und ihres Afrika-Korrespondenten Udo Ulfkotte gegen den Kölner Journalisten Karl Rössel mit der Begründung ab, bei den umstrittenen Äußerungen Rössels handele es sich nicht um Schmähkritik, sondern um zulässige Werturteile in der Sache, und die Tatsachen seien schließlich unstrittig.

Tatsache ist: Shell hatte im vergangenen Oktober vier deutsche Zeitungsjournalisten, darunter Ulfkotte, auf Kosten des Hauses ins Nigeriadelta geladen und Hubschrauberflüge mit ihnen veranstaltet. In Ulfkottes Bericht über diese Veranstaltung fehlte jeder Hinweis auf die Regie des Ölmultis. Die Londoner Konzernzentrale nutzte den Bericht der FAZ „Von Umweltverschmutzungen nichts zu sehen“ kurze Zeit später sogar für ein eigenes Werbevideo.

Nach dem Urteil des Gerichts dürfte Rössel in Zukunft auch behaupten, die FAZ sei von Shell für firmenfreundliche Berichterstattung „geschmiert“ worden. Richter Huthmacher erläuterte in seiner Urteilsbegründung: Der Vorwurf des Geschmiertwerdens beinhaltet die tatsächliche Behauptung, einen materiellen Vorteil für ein bestimmtes Vorgehen erhalten zu haben. Dies entspreche wiederum den unstrittigen Tatsachen.

Die FAZ-Anwälte hatten dagegen bis zuletzt argumentiert, Fremdfinanzierungen wie durch Shell seien für die FAZ völlig normal. „Auf die Unterstützung von Shell braucht vernünftigerweise auch nicht hingewiesen zu werden“, erklärte FAZ-Anwalt Winfried Seibert. „Andernfalls würde die Einleitung solcher Berichte zu einer Sponsorenaufzählung führen, ohne daß das inhaltlich von Bedeutung wäre.“

Der einzige Zeuge der FAZ, Shell-Pressesprecher und Veranstalter der Journalistenreise, Rainer Winzenried, wurde vom Gericht gar nicht erst gehört. Karl Rössel: „Schade. Dann hätten wir Prostituierte und Zuhälter in einem Saal gehabt.“

Unterdessen erneuerte auch der nigerianische Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka seine Kritik an der FAZ und droht dem Afrika-Korrespondenten Ulfkotte mit rechtlichen Schritten. Soyinka wirft Ulfkotte vor, Passagen aus einem Interview mit ihm zugunsten von Shell manipuliert zu haben. „Offensichtlich kam Herr Ulfkotte zu dem Interview mit der Absicht, seinen Stand als PR-Aktivist für Shell zu verbessern, und dies auf Kosten meiner Glaubwürdigkeit“, sagte Soyinka am Montag in Lonon. Ulfkotte sieht die Drohung gelassen: „Die Äußerungen sind so gefallen, alles ist auf Band mitgeschnitten.“ Hermann Rheindorf