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Sendeverbot für „Stradivari-Film“

■ Das Hamburger Landgericht hat entschieden: Persönlichkeitsrechte von Vasile D. verletzt / Strafanzeige gegen Radio Bremen wegen Hausfriedensbruchs gestellt

In einer Eilentscheidung hat das Hamburger Landgericht Radio Bremen untersagt, bestimmte entscheidende Passagen des Film „Der Fall Stradivari“zu zeigen. Der Sender hatte vor, den dokumentarischen Film über den Mordfall an der Bremer Geigenlehrerin Grevesmühl Ende des Monats zu wiederholen. Das Landgericht drohte „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“mit einem Ordnungsgeld von 500.000 Mark. Radio Bremen hatte gestern die Schriftfassung der einstweiligen Verfügung nicht vorliegen und wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Die Passagen des Films, deren Verbreitung untersagt werden, verletzten nach Ansicht des Gerichts die Persönlichkeitsrechte des Geigenschülers Vasile D., der zwar wegen „Anstiftung zum Raub“mitangeklagt ist, der aber von der Staatsanwaltschaft nicht in einen juristischen Zusammenhang mit dem Tod seiner Geigenlehrerin gebracht wird. Dies aber suggeriert der Film, der ausgiebig über die eindeutigen Vorwürfe der Kripo berichtet und nur darauf verweist, daß Vasile D. die dies „bestreitet“.

Der Bremer Anwalt Schlothauer hat Radio Bremen wegen „Hausfriedensbruchs“angezeigt. Das Kamerateam war mit der Kripo in die Wohnung eingedrungen – Vasile D., der zu der Zeit in Untersuchungshaft saß, erfuhr davon erst, als er den Film sah.

Die Kripo hatte nicht einmal einen richterlichen Durchsuchungsbefehl, moniert der Anwalt, die Durchsuchung sei also rechtswidrig. Selbst wenn sie rechtmäßig in die Wohnung eingedrungen wäre, hätte sie unter keinem Umständen Dritten erlauben dürfen, mitzugehen, Filmaufnahmen zu machen, sogar persönliche Gegenstände wie private Fotos anzuschauen und abzufilmen. Die Kripo habe „Beihilfe zum Hausfriedensbruch“geleistet, eventuell sogar – mit Zustimmung des Polizeipräsidenten – „Anstiftung“. Daß die Kripo-Beamten in ihrem ausführlichen Durchsuchungsprotokoll die Anwesenheit der Fernsehleute mit keinem Wort erwähnten, weist für den Anwalt darauf hin, daß sie sehr wohl wußten, daß sie nicht das Hausrecht hatten.

Das Hamburger Landgericht hat alle Film-Aufnahmen, die aus dieser Durchsuchung stammen, untersagt. Zudem hat es Radio Bremen verboten, den heimlichen Tonmitschnitt einer Vernehmung von Vasile D. zu senden. Offenkundig mit Wissen der Kripo, aber ohne Wissen des vernommenen Rumänen, hatte der Sender mit Mikrophon an der Tür gelauscht und konnte so in dem Film die Passage bringen, in der die Kripo suggestiv behauptet: „Sie haben die Frau auf dem Gewissen.“In seiner Rechtfertigung schreibt der Justitiar von Radio Bremen, die Antwort von Vasile D. umfasse nur ein Wort, nämlich das „Nein“, „und dieses (ist) auch nur bei genauem Hinhören wahrnehmbar“. Der heimliche Mitschnitt des Kripo-Verhörs, so argumentiert Radio Bremen, sei daher keine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB).

Untersagt hat das Hamburger Landgericht auch die Passagen des Filmes, in denen private Video-Aufzeichnungen des Vasile D. dokumentiert werden, die die Kripo beschlagnahmt hatte.

„Bodenlos“sei der Vorgang, schließt der Bremer Strafverteidiger Schlothauer seine Strafanzeige gegen die Radio-Bremen-Mitarbeiter und gegen die Kripo, „man stelle sich vor, künftig würden in jedem Ermittlungsverfahren Wohnungsdurchsuchungen mit Fernsehbegleitung stattfinden“.

Das Bremer Innenressort hat bisher die Frage, wie es zu der Zustimmung des Polizeipräsidiums zu der Fernseh-Begleitung der Mordkommission kommen konnte und wer dafür die Verantwortung trägt, noch nicht zu einem „Vorgang“gemacht. K.W.

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