: „Die Siedler müssen verschwinden“
■ Interview mit Mustafa al-Natscheh, Bürgermeister von Hebron
taz: Seit zwei Wochen gibt es Zusammenstöße in der Altstadt mit Hunderten von Verletzten...
Mustafa al-Natscheh: Ja. Dort leben jetzt ausgesprochen fanatische Siedler, die von außerhalb gekommen sind und unsere Leute provozieren. Wer den Propheten Mohammed auf einem Flugblatt als Schwein mit den Vorderbeinen auf dem Koran darstellt, darf sich nicht wundern, daß die Menschen erbost reagieren. Auch der Beschluß des US-Kongresses, die US- Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hat die Leute provoziert.
Können Sie denn ganz Hebron als Ihre Stadt betrachten?
Ja, natürlich. In der Zivilverwaltung ist Hebron eine ungeteilte Stadt. Lediglich im Sicherheitsbereich haben wir ein Arrangement, bei dem laut dem Hebron-Abkommen die Sicherheit eines Teils der Stadt in den Händen der Israelis liegt. Aber ich betrachte meine Stadt als ungeteilt.
Wie stellen Sie sich denn eine Lösung des Konflikts mit den Siedlern vor?
Es ist nicht nur eine Frage der Sicherheit. Es geht darum, die Abkommen einzuhalten. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu muß zum Friedensprozeß zurückkehren und einmal geschlossene Verträge einhalten.
Welche Lösung schwebt Ihnen vor, um die Unruhen zu beenden?
Die fanatischen Siedler müssen die Stadt wieder verlassen. Eine andere Lösung gibt es nicht. Die alten Hebroner Juden oder deren Nachfahren sollen zurückkehren. Sie sind uns jederzeit willkommen. An diesem Samstag werden sie eine offizielle Delegation entsenden, die von uns empfangen wird. Sie werden die Provokationen und das Verhalten der Siedler verurteilen. Wir laden diese Hebroner Juden ein, in die Stadt zurückzukehren und unter uns zu leben.
Wer aber soll die Siedler aus der Stadt schaffen?
Das ist Aufgabe der israelischen Regierung. Wenn sie wirklich Frieden anstrebt und den eingeleiteten Prozeß fortsetzen will, dann muß sie dafür Sorge tragen, daß diese Provokationen aufhören. Und die fanatischen Siedler müssen aus der Stadt verschwinden.
Die israelische Seite behauptet, die palästinensische Autonomieregierung habe ein Interesse an den Zusammenstößen, um den Druck auf Israel zu erhöhen.
Ich kann es den Menschen nicht verdenken, daß das Verhalten der Siedler sie empört. Niemand kann solche Beleidigungen wie die gegen den Propheten hinnehmen.
Nun war bei den Zusammenstößen am Donnerstag kein einziger palästinensischer Polizist zu sehen, weder in der Schuhada- noch in der Schallalah-Straße...
Es ist Sache der Polizeiführung zu entscheiden, wo sie eingreift und wo nicht. Das Liason-Komitee der palästinensischen und israelischen Polizei, das für die Umsetzung der Abkommen zuständig ist, hat sich getroffen, aber leider ohne Ergebnisse. Die israelische Regierung hat sich entschuldigt für die Verteilung des Flugblatts, in dem der Prophet beleidigt wird. Aber geschehen ist nichts. Es liegt in ihrer Verantwortung, hier einzugreifen und diese Fanatiker aus der Stadt herauszuholen.
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