Blair knickt vor Nordirlands Unionisten ein

■ In letzter Minute genehmigt London eine umstrittene protestantische Parade im nordirischen Portadown – und hofft, daß sich der erwartete Protest in Grenzen hält

Portadown (taz) – Oben herrscht Aufruhr. „Kein Waffenstillstand!“ ertönen Sprechchöre aus den Fenstern der katholisch bewohnten Häuser. Unten auf der Straße herrscht Stille. Hier marschiert der protestantische Oranierorden – ohne die üblichen Pauken und Trompeten, dazu mit einem für das Durchschnittsalter der Teilnehmer erstaunlichen Tempo.

Die Garvaghy Road in Drumcree, einem Viertel des nordirischen Portadown, ist völlig dicht. Stoßstange an Stoßstange stehen Panzerwagen der britischen Armee und der nordirischen Polizei, Soldaten in Kampfbemalung sind postiert. Dazwischen marschieren die Oranier, die hier wie jedes Jahr an lang zurückliegende Siege über Irlands Katholiken erinnern, durch die Straße, die zu einem der sensibelsten Brennpunkte des nordirischen Konflikts geworden ist.

Erst gestern früh hatte die britische Regierung den Oraniern ihre umstrittene Marschroute genehmigt. Mit der Entscheidung, die alljährliche protestantische Parade in Portadown erneut durch die katholische Garvaghy Road ziehen zu lassen, wollte die britische Regierung wohl eine Wiederholung der Vorfälle von 1996 vermeiden, als die Regierung Major die Parade zunächst verhindern wollte, sich einen allgemeinen Aufstand der protestantischen Orden einhandelte und schließlich einknicken mußte. Das Kalkül erklärt Ronnie Flanagan, Chef der nordirischen Polizei RUC, so: Es werde so oder so zu Gewalt kommen. Aber bei einem Nachgeben vor den Protestanten wäre die Gewalt kleiner. Die protestantische Splittergruppe „Loyalist Volunteer Force“ hatte bei einem Verbot der Parade mit Anschlägen in der Republik Irland gedroht.

So wurde die Garvaghy Road diesmal nicht wieder zu einem Sammelpunkt militanter Protestanten aus ganz Nordirland, sondern es marschierte einfach wie immer der lokale Oranierorden, der das Ganze als völlig harmlose Veranstaltung darstellt. „Ich trage meine orangene Schärpe als Zeichen, daß ich an Jesus als Erlöser glaube“, bedeutet Denis Watson, Großmeister der örtlichen Oranierloge: „Da kann doch niemand was dagegen haben!“

Offenbar doch. Die Stimmung unter den Katholiken von Portadown ist explosiv. Schon in der Nacht zu gestern kam es zwischen katholischen Jugendlichen und britischen Sicherheitskräften zu einer dreistündigen Straßenschlacht mit 14 Verletzten. Nach Ende der Parade gestern nachmittag flogen erneut die Steine, britische Soldaten antworteten mit Plastikgeschossen. Ein Jugendlicher wurde am Hinterkopf getroffen und schwer verletzt. „Das ist nicht der Friedensprozeß, wie wir ihn uns vorgestellt haben“, sagt Brendán MacCionnaith, Chef des örtlichen Bürgerkomitees.

Im Stadtzentrum begrüßten derweil zufriedene hohe Unionistenpolitiker die Marschierer. Das Fazit irischer Beobachter ist einhellig. „Sinn Féin kann jetzt kaum noch der IRA weismachen, daß man der britischen Regierung vertrauen kann“, meint die Feministin Nell MacCafferty. Der grüne Abgeordnete Trevor Sargent aus Irland sagt: „Heute sind eine Menge Jugendliche der Gewalt zugetrieben worden.“ Ralf Sotscheck