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Traute zur Trauung

Rechtlich ungültig, aber schön: Der Juli ist der Monat der telegenen Homo-Hochzeiten  ■ Von Frank M. Ziegler

Es geschieht ja selten, daß in deutschen Soaps etwas geschieht, was nicht schon vorher x-mal in anderen deutschen Soaps geschehen ist. Meist kraust der Kritiker da böse die buschigen Kritikerbrauen und ruft „abgekupfert!“, wenn ihm z. B. der 78ste Aidsfall oder der 93ste Selbstmord in der Serienlandschaft als „neu“ verkauft werden sollen.

Aber am 22. und 27. Juli kann sich der Kritiker zufrieden lächelnd zurücklehnen und anerkennen, daß sowohl die „Lindenstraße“ als auch die „Verbotene Liebe“ endlich mal wieder einen Schritt auf unbestelltes Land gewagt haben: Denn Schwulenhochzeiten gab es in deutschen Serien bisher noch nie! Daß beide rosa Trauungen in derselben Woche stattfinden, ist tatsächlich Zufall! Abgucken kann man schließlich nur, was der andere schon gesendet hat. (Und an TV-Industriespionage wollen wie jetzt mal nicht denken.) Darum wird sich „Verbotene Liebe“-Chefautorin Isolde Tarrach zwar freuen, daß ihre Homo-Ehe zwischen Gero von Sterneck und Markus Fröhlich fünf Tage früher stattfindet, als das „Lindenstraße“-Pendant zwischen Carsten Flöter und Theo Klages, aber sie wird auch anerkennen, daß Kollege Geißendörfer eben zeitgleich dieselbe Idee hatte – und daß das gut so ist!

Es war nämlich hoch an der Zeit, daß die Storyliner hier mal Traute zeigen und dem stoischen Soap-Publikum vorführen, was Sache ist beim Thema schwule Liebe! Geißendörfer erfand den Hochzeitsplot zusammen mit seinem schwulen Darsteller Georg Uecker, der den Carsten spielt: „Noch immer findet die gleichgeschlechtliche Verbindung keinen gesetzlichen Schutz“, wissen die beiden. „Und wir behandeln das Thema, um eine breite Öffentlichkeit zu informieren und denen, die diesen Schutz wollen, Mut zu machen.“

Die „Verbotene Liebe“-Autorencrew sieht das genauso: „Wir haben mit Gero und Markus ein Liebespaar geschaffen, das von der Öffentlichkeit akzeptiert und gemocht wird. Es wäre eine verschenkte Gelegenheit gewesen, diese Akzeptanz nicht auch auf die gleichgeschlechtliche Ehe auszuweiten.“

Broder Hinrichsen, der schwule Schauspieler des Gero, kann das nur unterschreiben: „Ich hatte zwar auf die Drehbücher keinen Einfluß, aber ich finde es natürlich gut, daß das Thema so behandelt wird! Ich hab' das gerne gespielt.“ Auf einer Podiumsdiskussion bei den Hamburger Grünen hat er darüber vor kurzem offen referiert: „Auch wenn ich selbst mit der Institution Ehe wenig anfangen kann, so bin ich trotzdem der Ansicht, daß jeder, der heiraten möchte, gefälligst auch die Chance dazu haben soll! Jeder!“ Serienpartner Andreas Zimmermann (Markus) ist hetero, sieht die Sache aber ganz genauso.

David Wilms, der in der „Lindenstraße“ den Theo Klages spielt und ebenfalls schwul ist, kann sich eine rosa Hochzeit sogar für sich selbst sehr gut vorstellen: „Wenn ich mal heiraten sollte, dann mit viel Pomp – eben so wie in der Lindenstraße.“ Zu dem „Pomp“ gehört am 27. Juli übrigens auch ein Pastor. Der ist von Amts wegen zwar nicht legitimiert, wohl aber trotzdem im Einsatz und gibt der Verbindung seinen Segen.

Der Pfarrer in „Verbotene Liebe“ dagegen springt vor der Trauung ab: sein Kirchenvorstand verbietet ihm die Eheschließung. Gero und Markus vollziehen ihre Trauung deshalb „nur“ in Form eines Versprechens im engen Freundeskreis. Danach zieht es die beiden nach New York, und die Zuschauer müssen fürderhin ohne das Traumpaar leben. Beide Schauspieler verlassen die Soap. Es stellt sich hier natürlich die Frage, weshalb Carsten oder Gero ihre Partner nicht gleich in ein Land geschleppt haben, wo gleichgeschlechtliche Verbindungen gesetzlich genehmigt und somit auch offiziell legalisiert sind. Broder Hinrichsen dazu: „Ich denke, daß das Thema auch so ganz gut dargestellt wird. Eine rechtlich ungültige Hochzeit in Deutschland trifft die Problematik genausogut.“

Während der „Lindenstraße“- Trauung im „Akropolis“ wird es übrigens nicht ganz so harmonisch zugehen, wie bei Gero und Markus in „Forbiddän Laaf“. Zwar darf dort sogar Vorzeigelesbe Hella von Sinnen eine Rede halten, aber am Ausgang der Kneipe warten schon der rechtsradikale Onkel Franz und seine Mischpoke auf die Hochzeitsgesellschaft... Zwei Serien, ein Gedanke, zwei Ausführungen, und beide nicht übel! Bei „Unter uns“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ wartet der Zuschauer wohl auch in nächster Zeit vergeblich auf solches Neuland. Schade eigentlich, daß hier die Chancen auf ein bißchen Aufklärungsarbeit beim glotzenden Volke regelmäßig verschenkt werden. Den Einfluß, den fast alle Soaps auf über fünf Millionen regelmäßige Zuschauer haben dürften, könnten ruhig noch mehr Drehbuchautoren zu nutzen versuchen.

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