■ Querspalte: Arbeit für die Schläger
Im Osten, so gab die Bundesanstalt für Arbeit bekannt, sei die Zahl der Arbeitslosen wieder gestiegen, und das Bundeskriminalamt erklärte im Gegenzug, daß die Zahl der Straftaten „mit rechtsradikalem Hintergrund“ während der ersten Sommermonate erneut zugenommen habe.
Der Osten ist, was den Rechtsradikalismus angeht, wieder besonders aktiv. Auf der Insel Usedom bewaffnet sich eine Horde Nazis mit Zaunlatten sowie Eisenstangen und prügelt auf eine Gruppe Camper ein, in Markgrafenheide greift ein Sondereinsatzkommando der Skins gar mit einer Kettensäge Urlauber an, im uckermärkischen Herzsprung solidarisiert sich der Bürgermeister mit einer Truppe „Sieg Heil“-brüllender Glatzköpfe und kämpft zusammen mit seinen Kameraden gegen die einschreitende Polizei. Falls der Bürgermeister sich demnächst einen neuen Job suchen muß, weiß er, wo er Anschluß findet. Die Zeit ist heiß: Die herumschweifenden jungen Braunhemden haben derzeit Ferien, sind gelangweilt und suchen verzweifelt nach Beschäftigung. Was tun?
Gebt den Schlägern, was sie wollen: Arbeit. Wer nicht faulenzen möchte, wer die anderen, die sich erholen, aus was für Gründen auch immer, schikaniert, der soll aufs Feld, mit einer Eisenkugel am Bein. Der soll zwölf Stunden pro Tag im Bergwerk schuften, bis ihm die Puste ausgeht, der soll in Sträflingsmontur zum Holzhacken in den Wald geschickt werden. Alle Zwangsarbeit ist eine Schweinerei und müßte weltweit geächtet werden – mit einer Ausnahme: Leute, die nur „Arbeit macht frei“ im Kopf haben und anderen die Ruhe nicht gönnen, bekommen keine Geldstrafe und kein Hausarrest, sondern ein ordentliches Arbeitsprogramm aufs Auge gedrückt.
Ob die Täter durch die Beschäftigungstortur lernen oder nicht, ist vollkommen gleichgültig. Es geht nicht um altbackene Pädagogik, die sowieso nicht funktioniert. Es geht darum, die Bedürfnisse einer rabiaten Sorte Mensch zielgerichtet zu befriedigen. Carsten Otte
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