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■ Zur EinkehrAuf dem Balkon

Eine gute Freundin. Lange nicht gesehen. Als halbes Kind im Schullandheim mit ihr auf der halben, halben und dann noch mal halben Zeitung getanzt. Genauso oft zusammen in Jerusalem gewesen, damals. Jetzt sind ihre beiden Kinder beim Vater. Oder bei der Oma? Egal. Eine Einkehr muß her.

„Du wohnst doch hier, Du weißt, wo man so hingeht“, sagt sie am Telefon. „Ja“, lautet die gelogene Antwort. „Wir treffen uns um halb acht...“– an einem neutralen Ort. Verbindlich unverbindlich. „Hol mich doch ab.“„Ist gut, ich hol Dich ab. Bis dann.“

Noch vier Stunden. Woher soll ich wissen, wo man so hingeht? Natürlich gibt es Ideen. Man hat ja schließlich seine Erfahrungen gemacht. Und die Hoffnung behalten. Vielleicht mußt du im „Pumpenhaus“diesmal nicht stundenlang auf's Essen warten. Vielleicht wird im „Fischkopp“das Chaos diesmal nicht mit der plötzlich erkrankten Aushilfe entschuldigt. Vielleicht hat El jefe im „La Tertulia“endlich eine Tageskarte zu seinem längst bekannten Angebot hinzuerfunden. Vielleicht quengelt ein neureicher Schnösel am Nachbartisch bei Frau Schmidt im „Grasshoff“diesmal nicht die unübertreffliche Entenbrust zäh. Doch das Bistro hat bekanntlich abends geschlossen, obwohl ebendas für den seltenen Besuch einen so teuren wie preis-werten Rahmen gäbe.

Noch eine Stunde. Es gibt viele Orte zum Satt werden in dieser Stadt, doch nur wenige zum Essen gehen. Freilich ist es eine Verlockung, aus einem bunten Angebot spontan auszuwählen. Und das öffentliche Theater, das ein Restaurant mitserviert, amüsiert auch einen Stubenhocker. Doch all' dies ein anderes Mal.

Denn längst duftet ein Hühnchen im Ofen – mit Kräutern vom Balkon. Die Kartoffeln sind aufgesetzt, der Salat ist gemacht, als es klingelt und wenig später schmeckt. Schließlich weiß man ja, wo man hier so hingeht. ck

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